Podiumsdiskussion Rita Süssmuth warnt vor Rückschritt

Wuppertal · Feierstunde zu 100 Jahren Frauenwahlrecht in der Stadthalle: Politikerinnen plädieren für Zusammenarbeit von Frauen.

 Engagiert diskutierte Rita Süssmuth (r.) über für Frauen Erreichtes in der Politik und drohende Rückschritte. Links Moderatorin Anke Spiess.

Engagiert diskutierte Rita Süssmuth (r.) über für Frauen Erreichtes in der Politik und drohende Rückschritte. Links Moderatorin Anke Spiess.

Foto: Bartsch,G. (b13)

Frauen feiern Frauen: Im Mendelssohn-Saal der Historischen Stadthalle gab es keinen freien Platz mehr. Anlässlich von 100 Jahren Frauenwahlrecht hatten die Gleichstellungsbeauftragten aus Wuppertal, Solingen und Remscheid zu einem Empfang mit Podiumsdiskussion geladen.

Am 12. November 1918 offiziell verkündet konnten Frauen am 19. Januar 1919 erstmals in Deutschland wählen. Dieser Meilenstein in der Geschichte der Demokratie und der Grundlage der Gleichberechtigung für Frau und Mann wurde von Akteurinnen unterschiedlicher Couleur seit Mitte des 19. Jahrhunderts hart erstritten. Ihnen zur dankbaren Erinnerung und auch, damit in Zukunft Mädchen und Frauen für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung aufstehen, hieß der Festakt „Streiten für gleiche Rechte. Wofür streitest du?“

„Frauen müssen sich zusammenschließen“

Eine Frau, die schon früh ihre Stimme erhoben hat und noch heute mit ihrem Engagement beeindruckt, ist die Politikerin Rita Süssmuth. Die gebürtige Wuppertalerin war Gast der Diskussionsrunde und ihre Feststellung am Ende „Ich bin älter geworden, aber jünger und meine jüngeren Ideen sind radikaler als meine älteren“ war bezeichnend. Mitreißend erzählte sie von ihren Erfahrungen, zum Beispiel bei einem Vorstellungsgespräch, die sie politisierten.

„Feministin sein heißt: für Frauen eintreten“ ist ihre Überzeugung. Pari Pari, 50 Prozent sei doch machbar, sie ist die Trippelschritte leid. Frauen hätten viel geleistet, doch frau müsse auch aufpassen: „Wir müssen nicht denken, es ist eine Selbstverständlichkeit. Frauen müssen sich zusammenschließen und das Gewonnene verteidigen, sonst fallen wir, angesichts mancher politischen Entwicklung in vielen Ländern, wieder zurück“, so ihre Befürchtung und ihr eindringlicher Appell.

Momentan sieht sie Rückschritte. „Frauen dürfen seit 100 Jahren wählen, aber lassen sie sich auch wählen?“, fragte sie. Der Anteil von Frauen als Oberbürgermeisterinnen sinke, im Deutschen Bundestag sei er mit 30 Prozent auf einen Wert von 1998 gefallen. In der Kommunalpolitik sehe es noch schlechter aus.

Positive Gegenbeispiele seien da die engagierten jungen Frauen Sonja Kaufmann (Junge Union) aus Solingen, Christine Krupp (SPD) aus Remscheid und Yazgülü Zeybek (Grüne) aus Wuppertal, ebenfalls Teilnehmerinnen der Diskussionsrunde „Frauen.Wahl.Recht – Persönliche Erfahrungen als Politikerin“.

Sie setzen sich für ihre Städte ein, denn in der Kommunalpolitik kann vor Ort manches erreicht werden. So wendet sich Zeybek gegen die Haltung „Es ändert sich ja doch nichts“. Frauenpolitik berührt sie besonders. „Ich musste mich schon immer bei Ungerechtigkeit einmischen.“ Ähnlich sieht es Kaufmann: „Nicht meckern, machen“ ist ihr Antrieb. Sie wünscht sich, dass die jüngere Generation mal nach oben gelassen wird.

Krupp setzt auf Selbstvertrauen nach dem Motto „Ich kann das“ und Durchsetzungsvermögen. „Egal ob ich die Quotenfrau bin oder nicht, ich kann durch Qualität überzeugen.“ Alle drei halten Unterstützung für wichtig und wünschen sich begleitende Mentorinnen für Interessierte. Zeybek sieht auch die Parteien in der Verantwortung für Jüngere. Auch Strukturen seien wichtig – wie etwa das Reißverschlussverfahren (abwechselnd Frauen und Männer) bei politischen Reden.

Auf die Frage von Moderatorin Anke Spiess nach Netzwerken plädieren allen Diskussionsteilnehmerinnen für den Zusammenschluss. „Man sieht oft bestimmte Realitäten nicht, denkt, wir sind doch alle gleichberechtigt“, so Süssmuth. Für sie ist Parität ein Menschenrecht und sie ist der Überzeugung: „Wir haben viel zu verlieren, wenn wir jetzt schlafen.“ „Bildet Komplizinnenschaften!“ war dann auch der Schlussappell der Gleichstellungsbeauftragten.

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