Richter-Demo: Viel Arbeit bei schlechter Bezahlung

Selbstgetippte Urteile, Zehnstundentage und Nullrunden: Richter und Staatsanwälte machen Front gegen die Regierung.

Wuppertal. Die Zahlen, die Landgerichtspräsident Josef Schulte vor knapp vier Wochen der Öffentlichkeit vorstellte, waren gut: Die Erledigungsquote von Straf- und Zivilsachen im Landgerichtsbezirk Wuppertal kann sich seit Jahren sehen lassen, obwohl der Landgerichtsbezirk personell nicht auf Rosen gebettet ist. Dass die positive Statistik auf Kosten der Belegschaft gehe, prangerten gestern mehr als 50 Richterinnen, Richter und Staatsanwälte bei einer Demo vor dem Justizzentrum an.

Aktueller Anlass für die vom Deutschen Bund der Richter und Staatsanwälte (DBR) organisierte Demo ist der Beschluss der Landesregierung, den Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst nicht auf die Richterbesoldung zu übertragen. „Und das, obwohl die Ministerpräsidentin in der Vergangenheit zugesagt hatte, dass die Richter keine weiteren Einschnitte hinnehmen müssten“, macht Helmut Leithäuser, langjähriger Richter in Wuppertal und Vorsitzender des örtlichen Richterrats, seinem Unmut Luft.

Angesichts der stetig steigenden Arbeitsbelastung — gestern war von Zehnstundentagen die Rede — ohne entsprechende Vergütung sei es an der Zeit, gegen die „Missachtung der Rechtsprechung als Dritte Gewalt der Bundesrepublik Deutschland“ zu demonstrieren. Die Liste der Vorwürfe, die Leithäuser stellvertretend für seine Kollegen präsentiert, ist lang.

Nur um die dünne Personaldecke abzufedern, sei der umstrittene „Deal im Strafprozess“ eingeführt worden. Mit solchen Verabredungen zwischen den Prozessbeteiligten werden Strafobergrenzen abgesprochen — das spart langwierige Beweisaufnahmen. Leithäuser zur Ermittlung von Strafen in Deal-Zeiten: „Das ist wie auf dem Basar und stellt einen Bruch mit der Rechtsordnung dar.“

Problematisch sieht die Richterschaft zudem die Ausstattung der Justiz an der Basis: Das nichtrichterliche Personal wurde abgebaut, Computer hielten Einzug.

So seien die Richter gezwungen, Schreibarbeiten selbst zu erledigen. Laut Leithäuser sind eine Vielzahl der Kolleginnen und Kollegen dazu übergegangen, ihre Urteile selbst zu tippen, um angesichts hoher Krankenstände auf den Geschäftsstellen Fristen einzuhalten. Um an veralteten Dienstrechnern nicht noch mehr Zeit zu verlieren, bringen viele Kollegen mittlerweile ihr privates Notebook mit zur Arbeit.

Natürlich geht es auch ums Geld: Laut Leithäuser verdienen Richter in NRW zehn Prozent weniger als ihre Kollegen in Bayern. Dazu kämen unter anderem der Wegfall des Urlaubsgeldes und die Kürzung des Weihnachtsgeldes auf 30 Prozent eines Monatsgehalts. Leithäuser in Richtung Landesregierung: „Das Ende der Fahnenstange ist erreicht.“

Um die gute Statistik im Landgerichtsbezirk muss sich übrigens niemand sorgen. Wegen der Demo fielen gestern keine Prozesse aus. Die Veranstaltung auf dem Vorplatz des Justizzentrums auf dem Eiland war nach knapp 15 Minuten beendet.

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