Engagement Religion: „Friedensstiftend, aber auch Vorwand für Gewalt“

Wuppertal · Die Vereinte Evangelische Mission sucht Lösungen bei Menschenrechtsverletzungen.

 VEM-Organisator Lusungu Mbilinyi in der Videokonferenz mit Teilnehmern aus der ganzen Welt.

VEM-Organisator Lusungu Mbilinyi in der Videokonferenz mit Teilnehmern aus der ganzen Welt.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Wie lassen sich Konflikte zwischen Menschengruppen lösen? Mit dieser Frage beschäftigen sich derzeit 35 Menschen aus 19 Ländern auf Einladung der Vereinten Evangelischen Mission. In normalen Zeiten findet diese Summer School zum Thema „Frieden und Menschenrechte“ alle zwei Jahre für zweieinhalb Wochen in Wuppertal statt. Interessenten werden vom Weltrat der Kirchen, der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, Brot für die Welt, Misereor und der Evangelischen Mission Weltweit ausgewählt.

Diesmal muss die Veranstaltung jedoch online stattfinden. Zehn Wochen lang treffen sich zwei Gruppen jeweils am Freitag oder Samstag für vier Stunden. Für einige ist es einfacher, von zu Hause aus online teilzunehmen als extra nach Deutschland zu reisen; andere haben an manchen Tagen Probleme mit ihrer Stromversorgung oder Internetleitung.

„In der Summer School geht es auch darum: Wie kann ich an meine Rechte kommen? Welche Wege kann ich gehen, um Menschenrechtsverletzungen öffentlich zu machen?“, erklärt VEM-Bildungskoordinator Lusungu Mbilinyi. Viele Teilnehmer kommen aus Gebieten, in denen es starke Konflikte gibt – beispielsweise zwischen den Anhängern verschiedener Religionen oder zwischen Volksgruppen. Als Lehrer, Menschenrechtsaktivisten oder Vertreter von NGOs müssen die Teilnehmer der Summer School immer wieder vermitteln. „Wir lassen auch sehr viel Raum, so dass die Leute ihre eigenen Erfahrungen einbringen und sich gegenseitig unterstützen können“, erklärt Lusungu Mbilinyi.

Im Online-Workshop geht es darum, wie Konflikte entstehen und eskalieren und welche Möglichkeiten es gibt, damit umzugehen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Mediation: Beide Seiten sollen im Gespräch eine Lösung finden, mit der beide Seiten leben können. „Schwierig wird das, wenn Menschenrechte verletzt wurden. Deshalb wollen wir, dass die Leute auch die Opfer im Blick haben“, sagt Lusungu Mbilinyi. Schließlich entstehen bei Gewalttaten auch starke psychische Verletzungen.

Religion: Friedensstiftend und
gleichzeitig Vorwand für Gewalt

Konflikte und Lösungsansätze werden bei der Summer School immer vor dem Hintergrund des christlichen Glaubens gesehen: „Religion hat eine duale Rolle: Sie ist friedensstiftend, kann aber auch ein Vorwand für Gewalt sein“, betont Lusungu Mbilinyi. Deshalb sei es wichtig, Leuten wenig Raum zu geben, die die Bibel gewalttätig interpretieren. Stattdessen solle die friedensstiftende Seite der Bibel in den Vordergrund gestellt werden.

Auch die unterschiedlichen kulturellen Aspekte werden im Workshop angesprochen; etwa starke Hierarchien, die es schwierig machen, eine andere Meinung als Ranghöhere zu äußern. Oder wenn Probleme ein Tabuthema betreffen, etwa Vergewaltigungen. Selbst im strukturierten Deutschland passieren immer wieder Menschenrechtsverletzungen, erinnert der Organisator.

Die Teilnehmer finden den Workshop sehr hilfreich. So sagt Maria Komboy aus Indonesien: „Die Summer School half mir, Menschenrechtsverletzungen zu verstehen.“ Sie möchte jetzt in West-Papua ein Mediationszentrum aufbauen. Alain M. Sivyolo aus der Demokratischen Republik Kongo findet: „Es ist eine faszinierende Erfahrung und ein intensives Training. So können wir den Wandel beeinflussen und Frieden und Gerechtigkeit bringen.“

„Angesichts von wachsendem Druck und Repression auf Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidiger weltweit, oft auch unter dem Vorwand der Pandemiebekämpfung, ist es wichtiger denn je, diejenigen zu stärken und zu vernetzen, die sich unter In­kaufnahme eigener Gefahr für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen“, sagt auch Jochen Motte, Vorstandsmitglied der VEM. Deshalb war es ihm wichtig, trotz Corona die Summer School zu veranstalten. Durch das Training sollen die Mediatoren vor Ort gestärkt werden.

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