Gastbeitrag Reisen mit Kindern: „Papa, bist du schon wach?“

Wuppertal · Arne Ulbricht schreibt in der WZ über Spaß in der Jugendherberge und unvergessliche Wanderungen.

 Autor Arne Ulbricht mit seinem Sohn.

Autor Arne Ulbricht mit seinem Sohn.

Foto: steiner/ulrbicht/STEINER

Ich (der Vater) war häufig allein mit den Kindern – sie sind inzwischen 13 und 16 – unterwegs: Nicht, weil meine Frau und ich geschieden sind und man mir das alleinige Sorgerecht zugesprochen hat, sondern weil ich als Teilzeitlehrer und Schriftsteller deutlich mehr Urlaub/Ferien als meine Frau habe. Meine zahlreichen Vater-Sohn-Tochter-Reisen waren alle Jahre wieder ein weiterer Höhepunkt meines Vaterlebens. Bis jetzt. Denn in den kommenden Sommerferien fahren meine Kinder zwar noch mit ihren Eltern auf Radtour, aber der Papa-Urlaub entfällt zum ersten Mal seit… zehn Jahren – Urlaub mit Freundinnen und Freunden ist wichtiger! Das ist vollkommen normal, schmerzt aber trotzdem. Wenn ich in eine Talkshow eingeladen und gefragt werden würde, welche Reisen mit meinen Kindern am schönsten gewesen seien, würde ich vermutlich mit einer Art Ranking antworten.

Platz 3: Jugendherbergs-Reisen! Konkret: Familienfreizeiten. Es ist herrlich zu sehen, wie die Kinder nach und nach Freunde finden. In Oberstdorf ging es so weit, dass meine damals fünfjährige Tochter am letzten Abend sagte: „Papa, heute schlafen noch Lena, Lara und Lisa bei uns auf dem Zimmer. Die Eltern von denen haben nichts dagegen.“ Ich wurde gar nicht erst gefragt. Also beglückte eine Bande fünfjähriger Mädchen meinen achtjährigen Sohn und mich in der letzten Herbergsnacht. Jugendherbergen sind super, weil die Kinder auf den Gängen herumlaufen und laut sein dürfen. Außerdem gibt es immer irgendeinen Tobe-Raum und Tischtennisplatten, und das Gelände gleicht meistens einem Abenteuerspielplatz.

Mit tauben Beinen angekommen
- und in den Pool gesprungen

Platz 2: Urlaub mit einem Kind. Es ist der Knaller, was für eine Nähe entsteht, wenn man nur mit einem Kind verreist. Mit meinem Sohn war ich dreimal allein unterwegs – jeweils in einer Jugendherberge. Beim ersten Mal war er drei. Und gleich am ersten Morgen schaute er vom oberen Bett zu mir ins untere Bett, strahlte und fragte: „Papa, bist du schon wach???“ Mit meiner Tochter war ich allein in St. Malo und Etretat. „Papa, du schläfst hier, und ich hier!“ So ging es los, sobald wir unsere kleine Ferienwohnung bezogen. Und dann sind wir durchs Watt gelaufen, haben Krebse gesammelt, in St. Malo Sandburgen gebaut und sind in Etretat die Steilküste entlanggeklettert.

Platz 1: Dreimal war ich mit den Kindern in der Bretagne und in der Normandie auf französischen Nationalwanderwegen unterwegs. Während der ersten fünftägigen Wandertour war mein Sohn 13 und meine Tochter 10. Wir sind von Ort zu Ort gewandert, und noch heute reden wir von unserer dritten Wanderung, als ich nach über zwanzig Kilometern sagte: „Wir sind da… wir müssen nur noch zur Hausnummer… Moment… 3665!“ Ja, und das bedeutete, wie sich herausstellte: 3665 Meter vom Ortskern entfernt. Und das nach über zwanzig Kilometern. Unsere Beine waren fast taub, als wir ankamen. Ein Jahr später hatte ich mich an einem Tag ebenfalls bös verschätzt: Die letzten Kilometer zogen sich brutal in die Länge, die bretonische Sonne brannte, jeder Schritt wurde zur Qual. Mit unseren Kräften und Nerven am Ende kamen wir erst am Abend im Golfhotel an. Während ich an der Rezeption stand, strahlte meine Tochter plötzlich und rief: „Da ist ja ein Pool!“ Und da sprangen wir schließlich alle rein, und so ein Pool ist ja sowieso eine feine Sache, aber nach einer solchen Wanderung ist der Pool wie ein kleines Paradies.

Einen Tag später wünschten wir uns dann die sengende Sonne zurück. Denn es regnete Bindfäden, wie man so schön sagt. Und dann verliefen wir uns auch noch. Als wir endlich den Weg wiedergefunden hatten und in einem kleinen Ort ankamen, hatten wir Hunger. Weil wir so klatschnass und unsere Schuhe so verschlammt waren, mussten wir die Pizza allerdings draußen essen. Wie sehr solche Momente zusammenschweißen, weiß man immer erst, wenn man allen Widrigkeiten getrotzt hat und frisch geduscht lachen kann über ein weiteres Abenteuer, das man gemeinsam erlebt hat und von dem man sich noch lange erzählen wird. Und genau deshalb werde ich vor allem diese Wanderungen nie vergessen.

Woran werden die Kinder sich später erinnern, wenn sie ihren eigenen Kindern von ihrem Papa erzählen? Mit Sicherheit daran, dass ich ihnen vorgelesen haben. Unter anderem jeweils den kompletten Harry Potter. Und daran, dass ich derjenige war, der immer mit ihnen beim Arzt oder in der Notaufnahme war. Und… ans Reisen. „Papa, der war immer ein bisschen chaotisch und mit ihm haben wir uns immer verlaufen. Aber mit ihm hat man einfach total viel erlebt.“ Ich denke, genau das werden sie erzählen.

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