Forschung Räuber, Krebse und Geheimnisse: Zu Besuch unter der Hardt

Hardt · Seit fast 150 Jahren wird im Höhlensystem im Hardtberg geforscht — und immer wieder Neues entdeckt.

 Detlef Wegener ist Höhlenforscher aus Leidenschaft.

Detlef Wegener ist Höhlenforscher aus Leidenschaft.

Foto: Schwartz, Anna (as)

. Als die Tür zugeht, wird es richtig dunkel. Ein bisschen Licht bieten die Lampen am Helm. Wasserplätschern ist zu hören und schmatzende Geräusche, wenn die Gummistiefel durch Matsch waten. Viel los unter der Hardt ist nicht. Einer der wenigen Bewohner ist klein, weiß und fühlt sich bei fast konstant 9,8 Grad gerade in der Feuchte wohl. „Ein Höhlenflußkrebs“, sagt Detlef Wegener und leuchtet auf das kleine Tier, Fachbegriff Niphargus, das es sich in einer Pfütze bequem gemacht hat. Ansonsten sind auch Fledermäuse regelmäßig dort anzutreffen. Nur beim Besuch der WZ haben sie offenbar keine Lust — oder sich einfach zu gut versteckt, wie Wegener lachend erklärt.

Für den 58-Jährigen ist das Höhlensystem im Hardtberg ein bisschen zweite Heimat geworden. Von Haus aus ist der Wuppertaler eigentlich Sozialpädagoge. Seitdem er zwölf ist, hat er sich aber der Höhlenforschung verschrieben. „Taschenlampe an und dann ging es los. Am Anfang war es Abenteuer“, erinnert er sich. Und ein bisschen sei es immer noch so. Seit Jahren ist er Mitglied im Arbeitskreis Kluterthöhle, der sich im Auftrag der Stadt um das Innenleben der Hardt kümmert. Und gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen aus dem Arbeitskreis, Ulrich Brämer, hat er jetzt auch ein Buch herausgegeben. „Unter der Hardt“ heißt es und beleuchtet, was sich in 150 Jahren Höhlenforschung so getan hat.

Es sei bewusst nicht für ein Fachpublikum geschrieben, sagt Wegener. Vielmehr wollen die Autoren den Reiz erklären, den die Unterwelt bietet, und deren empfindliche Schönheit hervorheben. „Sie ist absolut schützenswert“, betonen die beiden.

Aktuell droht zum Beispiel wieder Gefahr von oben. Die ehemalige Landesjustizschule auf der Hardt soll möglicherweise abgerissen werden (die WZ berichtete). Sie wurde einst praktisch auf einem Teil der Höhlen errichtet — was damals unbekannt war. „Wir haben Steine und Material gefunden, das beim Bau einfach in die Spalten geworfen wurde“, sagt Wegener. „Von unten gucken wir praktisch auf die Schule.“ Der Abriss könnte also Folgen haben, warnt er.

Das Buch solle aber auch unterhalten, mit Fotos und Geschichte. Etwa über Carl Biebighäuser, dem ein Kapitel gewidmet ist. Der ehemalige Färber aus Barmen (1842 bis 1900) ging als eine Art „Bergischer Robin Hood“ in die Geschichtsbücher ein. 1873 hatte er eine Räuberbande um sich geschart. Später landete er im Kittchen und verdiente seinen Lebensabend schließlich als Gemüsehändler. Während seiner kriminellen Karriere soll er aber, so die Legende, zwischenzeitlich auch in den Hardthöhlen Unterschlupf gesucht haben. „Wir wissen es nicht, aber er gehört auf jeden Fall in das Buch“, sagt Wegener.

An einigen Stellen waren weniger Menschen als auf dem Mond

Denn über die Höhlen ist vieles bekannt, aber längst nicht alles. Bis zum Beispiel entdeckt wurde, das Obere und Untere Hardthöhle eine Verbindung besitzen, dauerte es Jahrzehnte. „Und wir wissen auch nicht, warum hier die ganze Zeit dieses Wasser läuft“, sagt Wegener. Selbst im trockenen Sommer 2018 sei das der Fall gewesen. Die Vermutung: Irgendwo gibt es noch weitere, bislang unentdeckte Höhlenteile. Auch nicht erklären können die Geologen bislang, warum die Tropfsteine unter der Hardt deutlich schneller wachsen als in anderen Höhlen.

Gut zum Thema passt deshalb die Geschichte vom „geheimen“ Kraftwerk. In den 1960er Jahren geplant, zur Zeit des Kalten Krieges, wurde damals an der Straße Hardtufer dafür ein Stollen in den Berg getrieben, heute einer der Eingänge ins Höhlensystem. Die Abgase aus dem Betrieb sollten, so Wegener, über den Bismarckturm abgeleitet werden. „So, dass es niemand merkt“, sagt Wegener und schmunzelt. Denn so geheim war es dann doch nicht. In der Mitarbeiterzeitschrift der WSW wurde damals nämlich über das Projekt geschrieben, das letztendlich nie realisiert wurde.

Der 230 Meter lange Stollen ist aber geblieben und heute Ausgangspunkt für die heiß begehrten Exkursionen. Zum Tag des Geotops werden sie einmal im Jahr angeboten. Bis zu 200 Besucher verteilen sich dann in der Kaverne. Bei der „Privatführung“ für die WZ hat Wegener Chantal Saße dabei. Die 25-Jährige studiert Geologie und ist seit kurzem Mitglied im Arbeitskreis. Für sie ist es das erste Mal im Stollen — und die Studentin findet ihn fast ein bisschen langweilig. „Das ist zu einfach.“ Aber Wegener kündigt schon an. „Keine Angst, wir gehen auch noch mal richtig rein.“ Wobei es eher Kriechen sein wird, in den meist engen Gängen.

Das Unbekannte reizt einfach, sagt Wegener, etwas Neues zu entdecken. Eine Höhle als wahrscheinlich erster Mensch zu betreten, „ist schon ein geiles Gefühl“. Als sein Enkel in der Tiefen Hardthöhle unterwegs gewesen sei, habe Wegener scherzhaft gemeint, dass dort wahrscheinlich weniger Besucher als auf dem Mond waren. Danach habe er recherchiert und gemerkt: „Das stimmt sogar.“

Zu entdecken gebe es jedenfalls noch genug, macht er sich wenig Sorgen, dass dem Arbeitskreis die Arbeit ausgeht. Schließlich kümmert der sich nicht nur um eine Höhle. Doch bei all den Geheimnissen rund um die Hardthöhle — eins wird garantiert nicht dort gelüftet. „Ich würde mich ja freuen, wenn das Bernsteinzimmer in Wuppertal gefunden wird. Aber das wird ganz sicher nicht hier passieren.“

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