Prügel-Urteil: Mutter darf sich Tochter (21) nicht nähern

Das Schöffengericht verurteilte am Donnerstag eine 38-jährige Frau wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung.

Wuppertal. Auf den ersten Blick ist die junge Frau ein schönes Beispiel für gelungene Integration: Mit sieben Jahren kam sie 1998 nach dem Tod ihres Vaters von Marokko nach Deutschland. Deutsch spricht die heute 21-Jährige längst wie ihre Muttersprache. Sie hat das Abitur gemacht, spielt leidenschaftlich und gut Tennis, jobbte beim Bäcker, zuletzt in einem Steuerbüro. Eine intelligente Frau, die ihren Weg gehen wird.

Doch am Donnerstag hatte die 21-Jährige einen schweren Gang vor sich. Vor dem Schöffengericht musste sie als Zeugin aussagen. Auf der Anklagebank: die eigene Mutter. Laut Anklage hat die 38-Jährige ihre Tochter zwischen Januar 2003 und Mai 2010 nicht nur regelmäßig geschlagen und an den Haaren gezogen. Unter anderem soll die Mutter die Tochter mit einer Zuckerdose beworfen, ihr einen Kugelschreiber in die Schulter gerammt, sie mit einem Radiokabel geschlagen und mit der Scherbe eines zerschlagenen Spiegels bedroht haben, um Details über ihren Freund zu erfahren.

Schwere Vorwürfe, die die Mutter am Donnerstag zurückwies. Die 38-Jährige räumte zwar ein, dass ihr ein paar Mal die Hand ausgerutscht sei, insbesondere als ihre Tochter in die Pubertät gekommen sei. Gegenstände hätte sie dabei jedoch nie verwendet. Außerdem verwies die Frau auf ihre Depressionen, gegen die sie starke Medikamente nehme. In Wut, wisse sie manchmal nicht, was sie tue beziehungsweise getan habe.

Eine von der Schweigepflicht befreite Frauenärztin stellte diese Version allerdings infrage. Demnach war die Mutter mit ihrer nach deutschem Recht bereits volljährigen Tochter zu einer Untersuchung erschienen. Die Ärztin sollte die Jungfräulichkeit der jungen Frau bestätigen. Sie habe daraufhin der Mutter erklärt, dass sie kein Recht habe, über eine solche Untersuchung zu bestimmen, sagte die Medizinerin am Donnerstag als Zeugin vor Gericht.

Der deutsche Ex-Mann der Angeklagten sagte, dass die Mutter die deutsche Volljährigkeit ihrer Tochter nicht anerkannt habe, sondern nach ihrem Gusto auf 21 Jahre heraufgesetzt habe. Als Kind, Jugendliche und junge Frau sei ihr ein normaler Alltag mit Schulfreundinnen nahezu gänzlich verboten worden. Diskussionen darüber seien im Grunde nicht möglich gewesen. Als er einmal eine Handgreiflichkeit der Mutter gegen ihre Tochter miterlebt habe, sei er dazwischen gegangen. Den Anlass für den Übergriff — die Tochter soll nicht erzählt haben, dass sie auf dem Sportplatz ist — habe er nicht nachvollziehen können.

Ohne die Zeugenaussage der jungen Frau konnte der Fall nicht geklärt werden. Und so saßen Mutter und Tochter am Donnerstagmittag kaum fünf Meter auseinander. Dass es Blickkontakte gab, lässt sich nur erahnen. Die Tochter wiederholte die Vorwürfe der Anklage, erzählte zudem von Versöhnungstreffen, bei denen die Mutter sie als Schlampe bezeichnet habe: „Sie hat mir immer das Gefühl gegeben, ich sei zu dick, zu blöd und ich könnte gar nichts“, sagte die 21-Jährige und weinte. Kontakt zu ihrer Mutter? Den vermeide sie. „Davor habe ich Angst.“ Die Mutter schüttelte nur hin und wieder fast unmerklich mit dem Kopf.

Das Urteil: ein Jahr und neun Monate Haft zur Bewährung. Auflage des Gerichts: die Mutter hat jeglichen Kontakt zur Tochter zu unterlassen. Das Urteil des Schöffengerichts ist noch nicht rechtskräftig.

Eine Versöhnung scheint derzeit unmöglich. Trotz des Teilgeständnisses ließ die 38-Jährige die Gelegenheit verstreichen, sich bei ihrer Tochter zu entschuldigen.

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