Prügel im Bahnhofstunnel: Haftstrafen für Jugendliche

Ein 24-jähriger Wuppertaler wollte im Bahnhofstunnel helfen und wurde selbst zum Opfer. Sein zerschnittenes Gesicht musste mit 50 Stichten genäht werden. Am gestrigen Mittwoch wurden die Täter verurteilt.

Wuppertal. Der Fall erinnert auch den Jugendstaatsanwalt unweigerlich an die S-Bahn-Schläger von München und Berlin: Am Wuppertaler Hauptbahnhofs-Tunnel pöbeln Jugendliche einen offenbar Obdachlosen an. Ein 24-Jähriger schreitet ein: „Lasst den Mann in Ruhe“ und zieht so die Wut der Clique aus Remscheid auf sich. Der Helfer wird zum Opfer: Einer der Jungen zieht ihm eine abgebrochene Flasche durchs Gesicht.

Abgespielt hat sich das alles in der Nacht des 25. Juni. Am Mittwoch bestrafte das Remscheider Jugendschöffengericht nicht nur die zwei Haupttäter wegen schwerer und gefährlicher Körperverletzung zu Haftstrafen, sondern auch zwei ihrer Kumpels. Wegen unterlassener Hilfeleistung müssen sie Arreste absitzen. Der geständige Haupttäter (18), der dem Opfer das Gesicht bis auf den Knochen zerschnitten hatte, muss zwei Jahre, zwei Monate hinter Gitter. Ein 23-Jähriger, der noch nachgetreten hatte, bekommt acht Monate auf Bewährung.

Alkohol, eine „unverständlich plötzlich auftretende Aggression und der Herdentrieb“ mündeten im Gewaltexzess, versuchte der Vorsitzende Richter Uwe Intorf die Tat nachzuzeichnen. Wegen „Party und Mädchen“ war die gemischte Gruppe vom Förderschüler bis zum angehenden Fachabiturienten nach Wuppertal gefahren. Dort beobachtete das spätere Opfer die Pöbeleien gegenüber dem Obdachlosen. „Ich war im offenen Vollzug und wollte jedem Steit aus dem Weg gehen. Aber dem Mann musste man einfach helfen.“

Urplötzlich schlug die Aggression um - und richtete sich gegen den Helfer. Den Anblick vergessen selbst erfahrene Polizisten nicht. „Ich habe gedacht, der Kopf ist explodiert“, schildert einer der Jugendlichen. Dennoch schritt keiner ein. Mit mehr als 50 Stichen flicken die Ärzte das Gesicht des 24-Jährigen wieder zusammen. Bis heute ziehen sich tiefe Narben von der Schläfe bis zum Kinn, Teile seines Gesichtes sind taub. „Ich sah aus wie ein Monster.“ Gerade suche er eine Lehrstelle: „Aber wer nimmt mich denn so?“

„Ihr habt ein Leben verändert in einem Sinne, dass es einen gruseln lässt“, erklärte Richter Intorf. Zivilcourage gehe alle an: „Dazu gehört auch, gegenüber den eigenen Freunden einen Hintern in der Hose zu haben und sie aufzuhalten.“ Die Staatsanwaltschaft hat auch Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung gegen zwei Männer der Bahn-Security eingeleitet, die zu spät eingeschritten sein sollen.

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