Prozess: Die traurige Geschichte der Mechthild B. aus Barmen

Ein Leben voller Schicksalsschläge: In Hannover muss sich eine Krebsärztin wegen Totschlags an acht Patienten verantworten. Die 58-Jährige wuchs in Barmen auf.

<strong>Wuppertal. Das Blitzlichtgewitter der Presse beim Prozessauftakt im Landgericht Hannover vor gut einer Woche ließ Mechthild B. mit dem eigentümlichen Anflug eines Lächelns über sich ergehen. Bis Juni dieses Jahres muss die 58-Jährige auf der Anklagebank Platz nehmen. Als Krebsärztin soll sie acht ihrer Patienten mit überdosierten Schmerzmitteln getötet haben. Schwere Vorwürfe, die die Verteidigung zurückweist und die neue Diskussionen über Sterbehilfe entfacht haben. Mechthild B. schweigt. Besser gesagt, sie lässt ihre Anwälte reden. Beispielsweise über ihr bisheriges Leben. Das begann in Wuppertal. Dort wurde Mechthild B. als zweite Tochter der Eheleute Werner und Margarete B. geboren. Die Familie war in Barmen bekannt. Kein Wunder: Der Vater führte ein florierendes Malergeschäft, die Eheleute waren in der Kirchengemeinde Barmen-Gemarke aktiv. Mechthild und ihre Schwester wuchsen vis-à-vis der Erlöserkirche auf. Der Vater half bei der Renovierung und Restaurierung des Gotteshauses. Im Mai 1968 machte sie am Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium ihr Abitur, schrieb sich 1970 in Münster für den Studiengang Humanmedizin ein. Mechthild B. "erfuhr eine christlich-humanistisch geprägte Erziehung", trug Verteidiger Matthias Waldraff vor dem Landgericht Hannover vor.

"Das war eine ganz nette und bescheidene Familie." Bekannte der Familie B.

"Das war eine ganz nette und bescheidene Familie. Und die beiden Mädchen waren einfach toll", erinnern sich Nachbarn von damals. Mechthilds ältere Schwester Jutta sei ausnehmend hübsch, weltoffen und immer sehr lieb zu Kindern gewesen. An der Hauptschule Rödiger Straße im Bezirk Rott arbeitete sie als Lehrerin. Eine glückliche Familie. Dann der schwere Schicksalsschlag, der bislang im Prozess von Hannover nicht zur Sprache gekommen ist. Am 12. Februar 1975 - Aschermittwoch - wird die älteste Tochter der Familie B.erschossen. Man findet ihre Leiche in einer Tiefgarage in München. Einen Tag später legt ihr damaliger Ehemann ein Geständnis ab. Ihm wird wenig später der Prozess gemacht. Zehn Jahre Haft wegen Totschlags lautet das Urteil. Danach ist nichts mehr so wie früher. Die Mutter stirbt im Alter von 63 Jahren im April 1980 - "aus Gram über den Tod der Jutta", sagen die Bekannten aus Barmer Tagen.

Mechthild B., die introvertierte Zweitgeborene, arbeitet damals schon als Ärztin in Lünen. In den 90er Jahren wird der Vater in Barmen schwer krank. Sie nimmt ihn zu sich, pflegt ihn. Die Pflege ist immer Teil ihres Lebens.

Totschlag Laut Anklage hat Mechthild B. von Dezember 2001 bis Mai 2003 als Belegärztin der Paracelsus-Klinik in Langenhagen für acht ihrer Patienten Überdosierungen von Morphin und Diazepam angeordnet. Die zwischen 52und 96 Jahre alten Patienten starben.

Bestritten Die Verteidigung weist die Vorwürfe zurück. B.sei es auch darum gegangen, schwerkranken Menschen, deren Tod unausweichlich nahte, ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Zudem hätten Patienten ihr Einverständnis gegeben.

U-Haft Die Ermittlungen begannen vor vier Jahren. 2004 saß Mechthild B. vier Wochen in U-Haft, ist seither gegen Kaution (40000Euro) auf freiem Fuß. Ihre Approbation ruht - bis zu einem rechtskräftigen Urteil.

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