Prozess: Auf den Handy-Raub folgt die Zwangseinweisung

Warum ein 45-Jähriger in ein psychiatrisches Krankenhaus muss.

Wuppertal. Auf den ersten Blick ist es ungewöhnlich, dass das Gericht überlegt, einen Angeschuldigten wegen Raubes in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Doch der Fall eines 45 Jahre alten Kurierfahrers, der jetzt vor dem Landgericht verhandelt wurde, warf viele Fragen auf.

Als der Mann im Juli vergangenen Jahres nach einem Überfall auf einen Schlecker-Markt in Neuss aufgegriffen wurde, wunderte man sich zunächst nur über seine Beute von mehreren Lagen Schnellheftern und ein paar Marshmallows. Bei der polizeilichen Vernehmung habe der Mann sich anschließend so auffällig verhalten, dass man ihn gleich dort behielt.
Bei weiteren Recherchen stellte sich heraus, dass der damals 44-Jährige wegen anderer Vorfälle polizeilich in Erscheinung getreten war - er kam in Untersuchungshaft. Man beauftragte zwei Gutachter, sich ein Bild von dem Mann zu machen. Die Folge: Der Mann wurde in Isolationshaft gesteckt, bekam Medikamente und wurde psychologisch betreut. Erst Mitte Januar wurde er aus der Haft entlassen.

Im Gerichtssaal sitzt er jetzt wieder den beiden Gutachtern gegenüber. Fall um Fall wird aufgerollt, Opfer gehört, die Lebensgefährtin und Polizisten. Einmal soll der Angeklagte am 4. Juni 2008 gegen 3.20 Uhr vor den City-Arkaden einem 26-jährigen Mann sein Handy abgeknöpft haben. "Das ist mein Handy", habe er dem rechtmäßigen Besitzer zugerufen, ihn in den Magen geboxt und ins Gesicht geschlagen. Ein Satz, den die Gutachter später zitieren, weil sich an ihm zeige, dass der 45-Jährige alltägliche Situationen total verkenne. "Indifferente Schizophrenie" heißt das in der Fachsprache.
Drogen habe er an dem Tag genommen, erklärt der Angeschuldigte dem Richter. Drei Bahnen Koks seien es am Tatabend gewesen, dazu habe er Alkohol getrunken.

Nur einen Tag nach diesem Raub ereignete sich ein weiterer Vorfall, der den Angeklagte in einem zweifelhaften Licht erscheinen lässt. Damals fühlte sich eine Frau von ihm bei einem Spaziergang verfolgt - sie ging zur Polizei. Bei der anschließenden Vernehmung habe der frühere Pizzabäcker dann auch von dem Handy-Raub erzählt. "Ich möchte nicht in eine Anstalt", hatte der Angeklagte zu Beginn des Prozesses gesagt. Es sollte anders kommen.

Zwar sprach ihn das Gericht des Vorwurfs des Raubes frei - der Mann sei zum Tatzeitpunkt nicht schuldfähig gewesen. Statt dessen wurde eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Diese hatten die Gutachter befürwortet, die bei dem 45-Jährigen eine Schizophrenie diagnostizierten: Der Mann sei eine Gefahr für die Allgemeinheit.

Ungläubig schaut der Angeklagte zu seinem Verteidiger. Doch den Gang in die Klinik muss er antreten - sofort. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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