Wuppertal Polizei beklagt fehlenden Respekt gegenüber Beamten

Pro Jahr gibt es mehr als 200 Fälle von Widerstand gegen die Polizei — selbst bei Routinekontrollen.

Wuppertal: Polizei beklagt fehlenden Respekt gegenüber Beamten
Foto: dpa

Wuppertal. Samstagabend, Elberfelder City, vor einem Club: Zwei Männer geraten aneinander. Betrunken, vielleicht haben sie auch Drogen genommen. Polizist Andreas M. und sein Kollege werden auf sie aufmerksam, wollen schlichten. Auf die Ansprache über Lautsprecher aus dem Polizeiauto antwortet einer der Streithähne den Beamten mit zwei erhobenen Mittelfingern. Respekt gegenüber der Polizei? Ein Fremdwort. „Das nimmt immer mehr ab“, sagt Andreas M., der zwei Jahre in Elberfeld auf Streife ging.

Der junge Beamte, der seinen echten Namen lieber nicht sagen will, beschreibt das, was seit Jahren Polizei und Gewerkschaft (siehe rechts) immer wieder anprangern. Beleidigungen, Widerstand und Gewalt — Polizisten im Dienst sehen sich damit immer mehr konfrontiert. Die reinen Zahlen sind ernüchternd (siehe Kasten) — und Einsätze bei Demos und Ähnliches sind gar nicht aufgeführt. Mehr als 200 Fälle, in denen Polizisten angegangen werden, gibt es pro Jahr allein in Wuppertal. „Selbst bei kleinen polizeilichen Zielen“, sagt M. in Fachdeutsch. Übersetzt: Selbst eine einfache Personenkontrolle birgt Konfliktpotenzial.

Wobei M. betont, dass es die „typische Situation“ gar nicht gibt. „Das kann überall passieren.“ Vermehrt natürlich an Wochenenden, in der Innenstadt, wenn Leute zu viel trinken und die Hemmschwelle sinkt. Der Fall, den M. eingangs beschrieb, endete damit, dass einer der Betrunkenen auf die Polizisten losgehen wollte und sie Pfefferspray einsetzen mussten. „Drumherum hatte sich schnell eine Gruppe gebildet, die sich mit ihm solidarisiert hat“, erinnert sich M.an den Einsatz. Eine verhängnisvolle Gruppendynamik in Verbindung mit zu viel Alkohol. Zur Sicherheit habe man Verstärkung anfordern müssen. Bis die eintraf, sahen sich der 26-Jährige und sein Kollege einem kleinen Mob gegenüber.

Für die beiden Polizisten endete der Einsatz glimpflich. Weniger Glück hatte eine Polizistin aus Wuppertal Anfang des Jahres. Bei der Verfolgung eines Verdächtigen, der in der Nordstadt ein Auto aufgebrochen haben soll, griff der Mann die 24-Jährige an. Als diese stürzte und ihren Schlagstock verlor, schnappte ihn sich der 32-Jährige und schlug auf die Polizistin am Boden ein. Er ließ erst ab, als ihr Kollege ihn mit vorgehaltener Waffe stoppte. Der letzte Fall, der durch die Medien ging, liegt erst gut zwei Monat zurück: Ein Randalierer verletzte drei Polizisten, die den betrunkenen Mann nur vom Fensterbrett in der zweiten Etage eines Hauses herunterholen wollten.

„Wir wollen ja eigentlich nur was Gutes“, sagt M. Doch alles werde hinterfragt, die Beamten ernteten Unverständnis. „Und meist wird direkt noch Name und Dienstnummer gefordert, um sich später zu beschweren. Das haben die aus dem Fernsehen.“

Dumme Kommentare bekommen die Beamten dann noch im Nachgang, zum Beispiel in den Sozialen Netzwerken. „Wie kann denn so was passieren?“ „Hat unsere Polizei nichts mehr drauf, alles Luschen!“ „Scheiß Ausbildung!“ und Ähnliches war das Echo auf die Meldung zu den drei verletzten Polizisten, die sogar ins Krankenhaus mussten.

Es sei eine Frage der Verhältnismäßigkeit, sagt M. „Wir prügeln nicht einfach.“ Man versuche meist zuerst, die Person zu fixieren. Bei jemanden unter Drogen- und Alkoholeinfluss und dadurch hoher Schmerzgrenze kein leichtes Unterfangen, Training hin oder her. „Unsere Ausbildung ist gut“, betont M. Ein Schwerpunkt liege dabei auch auf Eingriffstechniken, die in gewisser Weise auf Kampfsporttechniken beruhen. „Aber wir setzen das anders um, als ein Kampfsportler.“

Wie gehen aber Polizisten damit um, wenn sie im Einsatz vielleicht verletzt werden, die Unterlegenen sind? Zehn Kollegen sind bislang in diesem Jahr länger dienstunfähig gewesen, aufgrund von Verletzungen bei Einsätzen, erklärt Hanna Meyerratken, Sprecherin der Polizei und früher selbst auf Streife in Elberfeld. Die Polizei habe eigene Seelsorger, außerdem einen Kriseninterventionsdienst. „Es sind ja doch oft Ausnahmesituationen“, sind sich Meyerratken und M. einig. Die Sprecherin sagt: „Ich kann den Eindruck von Andreas nur bestätigen.“ Insbesondere junge Beamte würden nicht ernst genommen. „Seid ihr noch in der Ausbildung?“, bekämen die oft zu hören.

Und wer legt sich besonders gerne mit der Polizei an? Junge Männer unter Alkoholeinfluss. „Dabei geht es auch oft darum, sich in der Gruppe zu profilieren“, weiß M. Wobei Wuppertal im Vergleich zu anderen Städten noch nicht wirkliche Problemecken habe: „,No-Go-Areas’ für die Polizei gibt es hier nicht.“

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