Politiker drücken sich

Gut gemeint, schlecht gemacht. Das Johannes-Rau-Gymnasium hat es in diesen Wochen nicht leicht. Dass muslimische Schüler gern einen Gebetsraum im Gebäude hätten, bringt Lehrer und Schulleitung in arge Bedrängnis.

Das ist schon daran zu sehen, dass die große Politik jetzt Station gemacht hat an der Siegesstraße. Durch den sicher wohlwollenden Besucher der Integrationsbeauftragten der Landesregierung, Serap Güler von der CDU, ist die Lage allerdings nicht besser geworden. Spätestens jetzt findet in aller Öffentlichkeit statt, was die Schule besser hinter ihren Toren besprochen hätte. Denn jetzt geht es nicht mehr nur um Gebetsräume in einer Schule. Jetzt geht es um das Ganze. Sichtbar wird so etwas immer unmittelbar an Kommentaren in den sozialen Netzwerken. Dort werden überwiegend Hass und Ressentiments bedient, weil es die Verfasser wie so oft nicht schafften, wenigstens die Form zu wahren.

Wie soll es in so einer Grundstimmung gelingen, für das Johanns-Rau-Gymnasium einen Weg zu finden, den alle Betroffenen beschreiten können? Die Positionen sind denkbar konträr. Samir Bouaissa. Christdemokrat und NRW-Vorsitzender des Zentralrates der Muslime, hat gegenüber einer Zeitung von der Schule bereits gefordert, „ungestörtes Beten zu ermöglichen. Ein Verbot ist rechtlich ohnehin nicht haltbar“.

Die Reaktionen einiger Lehrer zeigen hingegen, dass für das Kollegium die Antwort auf die Gebetsraumfrage eigentlich schon längst feststeht. Sie lautet: Nein. Und das völlig zurecht. Beim Johannes-Rau-Gymnasium handelt sich um eine konfessionslose, staatliche Schule. Anders als etwa beim St.-Anna-Gymnasium auf dem Ölberg haben Kirchen keinen Einfluss auf das Lehrerkollegium und dessen Arbeit. Und auch wenn es in manchen staatlichen Grundschulen noch Kreuze an den Wänden gibt, ist das kein Hinweis auf Bindung an eine Konfession, sondern darauf, dass auch Wuppertal Teil des christlichen Abendlandes ist.

Das berechtigt aber kein Gymnasium und keine Grundschule dazu, in ihren Gebäuden eine Kapelle einzurichten, in der sich beispielsweise kleine Katholiken vor dem Unterricht zum gemeinsamen Gebet treffen. Und es ist auch kein Fall bekannt, dass danach jemals gefragt worden wäre.

Mit den Muslimen ist das auch in Wuppertal anders. Die Diskussion um Islamismus, um Einfluss der anscheinend nicht mehr ganz demokratiefesten türkischen Regierung auf muslimische Organisationen in Deutschland und das Erstarken des rechten politischen Randes hat Moslems zusammengeschweißt und das Bedürfnis erzeugt, den Glauben offen auszuleben. Das ist auf der Basis des Grundgesetzes zu respektieren. Respekt ist aber keine Einbahnstraße. In Deutschland sind Kirche und Staat voneinander getrennt.

Für das Johannes-Rau-Gymnasium, das schon durch seinen Namensgeber für Offenheit und Toleranz steht, ist nun eine gefährliche Diskussion im Gange. Käme es wirklich dazu, dass die Schule einen Gebetsraum für Muslime einrichten muss, käme in Zukunft vermutlich auch eine andere Schülerklientel. Mit ein bisschen Pech entstünde womöglich ein überwiegend muslimisches Gymnasium. Das wäre das Gegenteil von dem, was konfessionslose Schulen vermitteln wollen: Bildung ohne Ansehen von Religion, Wohlstand und Herkunft.

Das Johannes-Rau-Gymnasium ist wie so viele andere Schulen schon im Alltag genügend gefordert. Hätte die alte Landesregierung den Schulen die Gebetsraumfrage nicht selbst überlassen, sondern den Mut zu einer politischen Entscheidung gehabt, dann könnten sich Lehrerkollegium und Schulpflegschaft voll und ganz den wirklich wichtigen Aufgaben zuwenden. So müssen Eltern. Schüler und Lehrer ausbaden, dass die für Bildungspolitik zuständigen Landesregierungen sich bisher vor einer klaren Haltung gedrückt haben.

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