Wuppertaler Geschichte NS-Oberbürgermeister nach dem Krieg

Detlef Vonde über die „Entnazifizierung“ und die Rückkehr zur „Normalität“.

 Foto: Anette Hammer

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„Wer den Krieg überlebt hatte, dem war seine alte ‚normale‘ Realität in Trümmer gefallen, und er musste sich inmitten von Trümmern ein neues Leben aufbauen.“ So formuliert es die „Geschichte der Stadt Barmen“ von Günter De Bruyn-Ouboter. „Normalität.“ Damit meinte der Autor den Prozess der Rückkehr zu einer relativ geordneten bürgerlichen Gesellschaft, in der Menschen vor unrechtmäßigen Übergriffen des Staates geschützt leben und ein Minimum an wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit genießen konnten. Dies alles war in der sogenannten „Stunde Null“ nach der Befreiung vom Faschismus außer Kraft gesetzt. Die Menschen zahlten einen hohen Preis für den Krieg der Nazis. Für viele, die im besiegten Regime eine aktive Rolle gespielt hatten, lokal bedeutende oder einfach nur „mitgelaufene“ Parteigänger, gewann diese Rückkehr zur ersehnten „Normalität“ aber noch eine ganz andere Dimension, die ihren Ausdruck in der Praxis der „Entnazifizierung“ fand. Schon in den frühen Nachkriegstagen machten sich die ersten belasteten Ex-Nazis auf die Jagd nach den begehrten Unbedenklichkeitserklärungen, die man im Volksmund auch „Persilscheine“ nannte und standen gleichsam Schlange, insbesondere vor den Türen der Pfarreien, die solche Bescheinigungen ausstellen konnten. Etwa 2,5 Millionen Deutsche wurden allein in Nordrhein-Westfalen „entnazifiziert“ und erfuhren damit praktisch ihre behördlich attestierte Absolution. Gerade die Erklärungen von Kirchenleuten, dass man politisch unbescholten sei, waren dabei besonders wichtig und Bestechungsversuche nicht unüblich. „Als der Krieg zu Ende war, mussten die irgendwelche Zeugen bekommen, die bezeugen konnten, dass sie keine unangenehmen Zeitgenossen waren. Der Ortsgruppenleiter war mit meinem Vater sehr bekannt von früher, die waren zusammen im CVJM gewesen. Der kam und wollte einen Persilschein, und das konnten wir auch mit gutem Gewissen tun.“ So formulierte es vor einigen Jahren eine Wuppertaler Pfarrerstochter in einem lebensgeschichtlichen Interview.

Das obligatorische Entnazifizierungsverfahren sah insgesamt fünf Kategorien der Einstufung vor (Hauptbeschuldigte gleich Kriegsverbrecher; Belastete gleich Aktive und Nutznießer des NS-Regimes; Minderbelastete; Mitläufer und Entlastete). Auf Bescholtene warteten abgestufte Strafen als „Sühnemaßnahmen“ von geringen Geldbußen bis zu zehnjährigem Arbeitslager. Über die Qualität dieser Entnazifizierungsverfahrens gibt das Beispiel des Ex-Burschenschafters und Wuppertaler NS-Oberbürgermeisters Heinz Gebauer Auskunft. Der Mann hatte noch wenige Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner erklärt, Wuppertal würde „bis zum letzten Mann“ verteidigt, was dann glücklicherweise nicht Wirklichkeit geworden war. Gebauer war überzeugter Nazi und noch in der sogenannten „Kampfzeit“ 1930 in die NSDAP eingetreten, wo der Jurist schnell Karriere machte und diverse Bürgermeisterämter antrat, nachdem er seinen Beruf als Rechtsanwalt aufgegeben hatte. Mit der Einstufung in Kategorie 4 kam der Mann, der 1940 das Amt des Wuppertaler OBs übernommen hatte, vergleichsweise „glimpflich“ davon: Nach kurzer Haftzeit wurde er 1949 wieder als Rechtsanwalt zugelassen und blieb bis zu seinem Tod in der Stadt, wo er eine wiedergewonnene „Normalität“ genießen durfte.

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