Wuppertal Nach Hausexplosion: Helfer Fabian Heinrichs braucht selbst Hilfe

Fabian Heinrichs hat im Haus an der Lenneper Straße in Wuppertal gewohnt — bis zur Explosion. Aktuell sucht er nach einer neuen Bleibe.

Wuppertal: Nach Hausexplosion: Helfer Fabian Heinrichs braucht selbst Hilfe
Foto: Schwartz, Anna (as)

Wuppertal. Fabian Heinrichs fährt jeden Tag zu seiner Wohnung. Zu dem, was davon übrig ist. Das ist nicht viel. Fabian Heinrichs hat mit seiner Freundin und deren Mutter sowie einem Labrador in der Erdgeschosswohnung in einem Haus an der Lenneper Straße gelebt. Bis zum 23. Juni, als es um kurz vor Mitternacht zu einer Explosion gekommen ist, in deren Folge das Haus teils zusammengebrochen ist, teils abgerissen werden musste.

Heinrichs war vorher noch den Sieg der Deutschen gegen die Schweden bei der WM feiern, als dann der Knall kam und alles anders werden sollte.

Wer mit ihm redet, merkt schnell, wie viel Aufwand es mit sich bringt, wenn man alles verliert. Termine bei der Stadt wegen Wohnungen, neuen Dokumenten, Hilfe organisieren, Hilfe bekommen. Heinrichs Telefon klingelt öfter. Er kommt mit dem Wagen seiner Freundin, fährt schnell wieder weiter. Gehetzt wirkt er nicht. Aber die Zeit drängt.

Heinrichs hat direkt am nächsten Tag einen Facebook-Aufruf nach Spenden gestartet, stand den Medien Rede und Antwort, hat sich ein bisschen zum Gesicht der Bewohner gemacht. In den Vordergrund drängen wollte er sich nicht, sagt er. Er erklärt, er würde das nutzen, um Aufmerksamkeit zu erregen, um Helfer zu gewinnen. Es würde keinem helfen, nichts zu tun. Es würde auch seiner Freundin nicht helfen, wenn er sich nicht kümmern würde. Die brachte er am Montag nach der Explosion an den Rand der Szenerie. Sie war nicht so gefasst wie er.

Auch jetzt ist er im Einsatz. Für sich, für andere. „Auch wenn das aktuell keiner glaubt: ich sammel’ nicht nur für mich und meine Familie. Ich sammel’ auch Spenden für die Familien mit Kindern, für den alten Mann, der weiter oben gewohnt hat.“ Er verteile weiter, was er angeboten bekommt, sagt er.

Für ihn ist erst einmal alles ok. Er habe zwar alles verloren — alleine Video-Equipment, Computer und Spielekonsolen haben etwa 20 000 Euro gekostet, schätzt er — aber das sei nicht so wichtig. Viel schlimmer sei, dass seine Freundin Erinnerungsstücke an die Oma verloren hat. Das letzte Foto, das Oma und Opa gemeinsam zeigt. Der Schmuck der Großmutter. Das schmerze. Aber er sei mit Freundin und deren Mutter bei seiner Mutter untergekommen.

Heinrichs ist ruhig, sachlich, wenig emotional. Aber auch er sagt, dass er das Ganze nicht so wegsteckt. „Am Montag oder Dienstag — als ich realisiert habe, das ist kein Traum, da gab es so einen Moment. Da bin ich ganz ruhig geworden und dachte: Scheiße, was machst du jetzt?“ Aber dann habe er sich umgesehen. Familie da. Freundin da. „Wir haben es alle geschafft.“ Darauf besinnt er sich.

Das ist das Wunder. Acht Wohnungen. Mehr als 30 Bewohner. Trotz fünf Schwerverletzter — keiner ist bei dem Unglück gestorben.

Auf Facebook wurde kurz nach dem Unglück eine Gruppe gegründet, über die Sachspenden koordiniert werden. Mittlerweile steht dort eine Liste mit Organisationen, zu denen Sachspenden gebracht werden können. Zwischenzeitlich war man auf der Suche nach Lagerräumen. Jetzt sollen die Spenden demnach bestenfalls direkt in die neuen Wohnungen gebracht werden.

Heinrichs ist gerührt von der vielen Hilfe. Mehr als 1200 Mitglieder hat die Facebook-Gruppe. Dazu hat er selbst unzählige Angebote bekommen. Alle Kinder aus dem Haus seien wieder mit Kinderzimmereinrichtungen versorgt, sagt er. Drei oder vier Küchen seien auch angeboten worden. „Wir wissen gar nicht, wie wir das gutmachen sollen“, sagt er.

Die Stadt sammelt Wohnungsangebote und vermittelt sie weiter. Stadtsprecherin Martina Eckermann sagt, alle Bewohner der acht Wohnungen hätten inzwischen Wohnungsangebote bekommen. Wenn es im ersten Anlauf nicht klappt, stünden noch genug Angebote zur Verfügung, um es direkt weiter zu versuchen.

Auch Fabian Heinrichs hat sich am Freitag eine Wohnung mit Freundin und deren Mutter angesehen. Er hatte auf eine Zusage gehofft. Daraus wurde aber nichts. Auch vorherige Angebote sind nichts geworden — allein wegen des Hundes sei es schwer.

Unterdessen kann er Teile seiner Kleidung im Rest der Wohnung sehen. Die Ecke des Hauses, die noch steht, gehört zu seinem Schlafzimmer. Am Freitag konnte er das Haus von einem Kranwagen aus sehen. „Viel ist da nicht zu retten“.

Wann das restliche Gebäude abgerissen wird, weiß er nicht. Das sage keiner. Er hofft, dann noch einen Blick in den Container mit den Überresten werfen zu können. Vielleicht findet er dann noch etwas aus dem alten Leben. Etwas, das er sonst nicht ersetzen könnte.

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