Mord am Werth: Angehörige der Angeklagten fürchten Rache

„Sippenhaft auf dem Gerichtsflur“ verhindert. Einer der Nebenkläger muss ein Ordnungsgeld wegen Bedrohung zahlen.

Wuppertal. Richter, Staatsanwalt und Verteidiger im Prozess um den Mord in einem Juweliergeschäft am Werth haben ein großes Sicherheitsrisiko ausschließen können: Die Angehörigen der Angeklagten müssen nicht am Landgericht erscheinen. Trotzdem kommt es während der Verhandlung immer wieder zu Unterbrechungen, weil Nebenkläger oder das Publikum den Prozessablauf stören.

Wie berichtet, sollten ursprünglich die Schwester und ihr Lebensgefährte sowie die Mutter des Hauptangeklagten (39) aussagen. Weil vor allem die Freunde und Angehörigen der beiden Opfer aus dem Zuschauerraum dies vehement forderten, machte auf dem Gerichtsflur schnell das Wort „Sippenhaft“ die Runde. Ein für die Sicherheit zuständiger Polizist sprach gegenüber der WZ von einem „heißen Tanz“, den er erwarte.

Dieses Sicherheitsrisiko ist nun vom Tisch: Weil Staatsanwalt und Verteidiger zustimmten, reichte es dem Richter, die Aussagen der Angehörigen zu verlesen. Darin befürchtet vor allem die Schwester des Angeklagten — sie lebt in Wuppertal — Racheakte: „Wir haben Angst, auf die Straße zu gehen. Meine Kinder haben Angst, in die Schule zu gehen. Sie nässen sich nachts ein“, wurde sie zitiert.

Einen Eindruck davon, was die Angehörigen im Gerichtssaal erwartet hätte, bekamen Prozessbeobachter, als der Richter seine Entscheidung verkündete: Der Witwer der getöteten Angestellten (33) des Juwelierladens beschwerte sich lautstark, dass „die Familie nicht vorgeführt wird“. Wütend verließ er den Gerichtssaal und schlug dabei im Vorbeigehen gegen das kugelsichere Glas, hinter dem die Angeklagten sitzen. Lautstarker Applaus der etwa 80 Zuschauer — fast ausschließlich Freunde und Angehörige der Opfer — folgte.

Auch am Donnerstag gab es wieder tumultartige Zustände im Gerichtssaal. Während der eigentlich harmlosen Vernehmung einer Polizistin, wies Strafverteidiger Michael Kaps den Richter darauf hin, dass er sich gestört fühle, weil ihn einer der Nebenkläger dauerhaft anstarre. Der Nebenkläger erwiderte: „Ich starre die Männer hinter Euch an. Aber ihr seid nicht besser als die Tiere hinter Euch.“ Beim Verlassen des Gerichtssaals drohte er: „Ich kenne Herrn Kaps, er ist der beste Verteidiger Wuppertals. Wer bezahlt diesen Mann? Wir sehen uns noch wieder.“ Es folgte Applaus aus dem Publikum.

Nach einer Unterbrechung verhängte der Richter ein Verwarngeld in Höhe von 300 Euro wegen Beleidigung und Bedrohung. Außerdem drohte er Nebenklägern und Zuschauern 24-Stunden-Arrest an, sollte es weitere Störungen geben.

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