Mitglieder wählen Kunstwerke aus

Neuer Kunstverein: Plattform für Austausch und Vernetzung von und mit Künstlern.

Mitglieder wählen Kunstwerke aus
Foto: Andreas Fischer

Am Anfang standen eine Lücke und 20 Wuppertaler — Künstler, Kunstinteressierte und Kunstexperten —, die diese schließen wollten. Sie vermissten einen Ort, der „einerseits Plattform für Austausch und Vernetzung sein und andererseits Künstler in die Stadt holen sollte, so dass über die Stadtgrenzen hinweg Kontakte gebildet wurden“, erklärt Lisa Thiele. Die 29-jährige Wuppertalerin ist Kunsthistorikerin und stellvertretende Vorsitzende des Neuen Kunstvereins, der 2009 gegründet wurde und in das Kolkmannhaus an der Hofaue zog. Ein Kunst(t)raum, der wahr wurde und mit zirka 2900 Besuchern im Jahr zu einer festen Adresse in der Wuppertaler Galerien- und Kunstszene geworden ist.

Wuppertaler

Kunst(t)räume

Der Ausstellungsraum, den die Stadt zur Verfügung stellt, ist geschätzte vier Meter hoch, lang, klar, gibt wenig vor. Selbst die tragenden Säulen stehen an der Seite, so dass Nischen entstehen, in denen gerade der Düsseldorfer Künstler Norbert Kraus Bilder aufgehängt hat. Sie gehören zur neuen Ausstellung „Phantasmidae“, die heute Abend (19 Uhr) eröffnet wird. Im Mittelpunkt: drei raumfüllende Installationen mit einem Birkenspanner, einer Gespensterschrecke und einem Nachtschmetterling, die der 60-Jährige per Computer animiert hat und nach einer speziellen, 12-minütigen Choreographie synchron „tanzen“ lässt. Ihre Bewegungen sind bewusst fiktiv, laden zu intensiver Betrachtung und Interpretation ein. Basis der Arbeiten sind Stiche aus dem 18. Jahrhundert. „Die Dinge sollen prozessual verlaufen, das ist prägnanter, künstlicher“, erklärt der studierte Bildhauer, für den die 3D-Technik eine Fortsetzung der Bildhauerei mit anderen Mitteln ist. Thomas Seidel steuert für jedes Tier ein bewusst synthetisches Tonstück bei — „die Soundcollagen passen perfekt zur Animation“, erklärt Kraus.

Ins Kolkmannhaus gekommen ist Kraus durch den Kunstverein-Vorsitzenden Erik Schönenberg, den er Anfang 2017 kennenlernte. Womit ein weiteres Prinzip des vom ehrenamtlichen Engagement seiner 130 Mitglieder lebenden Vereins offenbar wird. Sie wählen gemeinsam aus, wer bei ihnen eine der jährlich vier bis sechs Ausstellungen bestreitet. Dafür treffen sie sich monatlich, um sich „aktuell entstehende Gegenwartskunst auf hohem professionellen Niveau“ (so die Leitlinien des Vereins) auszusuchen. Den aktuellen Tendenzen entsprechend fällt die Wahl „derzeit viel auf Performances und Installationen“, erzählt Thiele.

Der Neue Kunstverein knüpft bewusst an die Tradition der Kunstvereine des 19. Jahrhunderts an, die die Kunst den unteren Schichten zugängig machen wollten. Thiele: „Für uns ist superwichtig, uns zu öffnen.“ Dazu passt die Kooperation mit anderen Vereinen und Initiativen — von der Universität, über Tanzrauschen e.V., die Wuppertaler Gesellschaft für Neue Musik oder das C. Rockefeller Center Dresden bis hin zur jährlichen Ausstellung mit Arbeiten von Wuppertaler Schülern. Nicht zu vergessen Veranstaltungsformate wie „Ein-Abend“, bei dem ein Künstler eine Arbeit vorstellt.

Mit „Wir laden Künstler ein“ ging es, nach umfangreicher Planung, 2010 los, es folgte die Themenausstellung„Krisen und Utopien“. Oft werden auswärtige Künstler geholt. Die Kosten hängen stets vom Aufwand ab — die Künstlerin aus den USA macht mehr Arbeit als der Künstler aus dem Rheinland, der seine Werke mitbringt. Der Jahresetat liegt bei bescheidenen 12 000 Euro. Klar, dass der Verein neben den Mitgliedsbeiträgen auf Förderung angewiesen ist. Die leistet vor allem das Kulturbüro. Weitere Fördermittel werden von Fall zu Fall beantragt. Der Neue Kulturverein lebt, so Thiele, „durch die Mitglieder und ihre Initiative“.

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