Interview „Als Oberbürgermeisterin sollten sie alternative Fakten widerlegen können“

Wuppertal · Im Interview spricht Oberbürgermeisterkandidatin Mira Lehner darüber, warum Satire genau das richtige Mittel in der Politik ist.

 Mira Lehner (Die Partei) stellt sich zur Wahl als Oberbürgermeisterin.

Mira Lehner (Die Partei) stellt sich zur Wahl als Oberbürgermeisterin.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Frau Lehner, ist Satire für die ganz pragmatischen Dinge aus dem Leben der Wuppertaler geeignet?

Mira Lehner: Ja, natürlich. Das sehen Sie ja schon daran, wie viel Misswirtschaft, Fehlplanungen und Sachen es gibt, vor denen die Bürger stehen und sagen „Das hat doch keiner gewollt“.

Aber die Alternative zu „Das hat doch keiner gewollt“ kann doch nicht sein „Wählt die Partei, sie ist gut“. Das mag zwar stimmen, ist aber kein Inhalt.

Lehner: Das kann man uns so nicht vorwerfen. Wir setzen uns auch über Inhalte hinweg, das stimmt schon.

Im Wahlkampf vor fünf Jahren hatte Ihre Partei auch den Slogan „Inhalte überwinden“. Das ist als Rückspiegelfläche für Kommunalpolitik aber recht schwierig, gerade angesichts der Themen, die in Wuppertal zu bewältigen sind, oder?

Lehner: Wir sind mit Sicherheit keine Volkspartei, das werden wir auch nicht werden. Auch in die Große Koalition werden wir nicht mit einsteigen, das ist uns klar. Tatsache ist aber, dass es genug Kommunalräte gibt, in denen die Partei „Die Partei“ vertreten ist. Unsere Aufgabe ist es, aufzuklären, in dem wir spiegeln und die Menschen über den Weg der Satire informieren. Für die Menschen ist es einfacher zu verstehen, wenn ich ihnen ein Bild zeige, als wenn sie 40 Minuten Andreas Mucke zuhören.

Muss man die Satire nicht neu denken in Zeiten, in denen ganze Länder damit regiert werden, in dem man sagt, es gibt alternative Fakten?

Lehner: Erstmal sind alternative Fakten keine Satire, sondern beängstigend, gefährlich und dumm. Sie haben mit Humor nichts zu tun. Wenn ich gezielt falsche Informationen verbreite, ist das demokratiefeindlich. Wer das macht, will zerstören. Da steckt dann auch ein boshafter Wille hinter. Hinter Satire ist selten Boshaftigkeit, der Motor von Humor ist selten Boshaftigkeit.

Würden Sie als Oberbürgermeisterin auch mit Satire reagieren, wenn in der Stadtratssitzung aus der rechten Ecke alternative Fakten in Redebeiträgen vorkommen oder der Verwaltung abstruse Dinge vorgeworfen werden?

Lehner: Diese Leute können vorgeführt werden. Als Oberbürgermeisterin sollten sie in der Lage sein, diese alternativen Fakten zu widerlegen. Denn das ist ja ihre Verwaltung, also müssten sie auch über die realen Daten verfügen und diese präsentieren können. Ob die fünf Pausenclowns ihnen glauben oder nicht, ist doch ganz egal. Die alternativen Fakten sind erst dann gefährlich, wenn sie rausgehen und eine große Mehrheit erreichen.

Abseits von Satire und Humor sowie gesetzt den Fall, dass Sie Oberbürgermeisterin werden und mit Ihrer Partei in den Stadtrat einziehen: Welche konkreten Themen wollen Sie angehen, wie stimmen Sie etwa bei Fragen zum Pina Bausch Zentrum ab?

Lehner: Wir sind Menschen, die nach ihren Gewissen entscheiden oder nach ihren Lebensumständen. Als Beispiel: Ich finde Blumen schön. Wenn jemand 20 000 Blumen pflanzen möchte, bin ich dabei. Wenn diese 20 000 Blumen aber dazu führen, dass ich meine Miete nicht mehr zahlen kann, weil mein ganzes Viertel gentrifiziert wird, dann bin ich raus. Das hat auch nicht viel mit Überlegungen zu tun, sondern mit der eigenen Situation.

Wie hat man Ihren Wahlspruch „Wuppertal asozial“ zu verstehen?

Lehner: Der Wahlspruch ist angelehnt gegen die Gentrifizierungsversuche unserer Quartiere, weil wir weiter ein buntes Viertel haben möchten. Wir fühlen uns dort ganz wohl. Ich finde auch die Problembär-Jagd, die mit einzelnen Quartieren betrieben wird, unsinnig. Ich habe kein Interesse daran, mich mit irgendwelchen Großprojekten an Düsseldorf zu orientieren. Ich denke, auf kommunaler Ebene geht es den Leuten in meiner Partei ähnlich. Ich habe auch keine Lust darauf, mich beim Mietspiegel an Düsseldorf zu orientieren. Ich denke, das ist im Interesse vieler Bürger.

An einem anderen Parameter, nämlich die Zahl der Hartz-IV-Empfänger, die Zahl der Arbeitslosen, wäre eine Orientierung wünschenswert. Das ließe sich zumindest in Teilen auch von der Kommune beeinflussen. Da wären Sie im Kampf doch sicher dabei?

Lehner: Es ist die Frage, zu welchem Preis ich die Menschen in Arbeit bringen kann. Wenn ich es nur auf dem Weg schaffe, dass sie zum Mindestlohn Kisten ein- und auspacken und am Ende vier Stellen brauchen, um ihre Miete zu zahlen, dann bin ich da mit Sicherheit nicht bei.

Wenn es aber darum ginge, Strukturen zu verändern, wenn man sagt, dass man Flächen für vernünftige Industriebetriebe mit vernünftigem Lohn benötigt, wären Sie dabei, oder?

Lehner: Sie sind ein bisschen sehr allgemein. Wenn einer sagt, wir brauchen Flächen, ist die Frage, wo sie die finden. Wenn es eine erschlossene Fläche ist, auf der bislang nur eine Brache vorhanden ist, wäre das sicher gut. Ich bin sicherlich nicht dafür, ein Vogelschutzgebiet zu planieren. Da muss man schauen, wie die einzelne Sachlage ist.

Einzelne Flächen, zuletzt die Kleine Höhe, sind bereits weggefallen. Dass dort jetzt keine Forensik gebaut wird, kommt Ihnen gelegen?

Lehner: Ich persönlich bin nicht gegen Forensik.

Aber Sie sind dafür, dass sie nicht an der Kleinen Höhe gebaut wird?

Lehner: Das weiß ich nicht.

Wir fragen, weil das eines der Themen ist, die in der Wuppertaler Politik zuletzt eine Rolle gespielt haben und noch spielen werden...

Lehner: Mit dem Entscheidungsprozess waren wir nicht beschäftigt.

In Zukunft wird die Frage sein, ob die Forensik an der Parkstraße gebaut wird. Da ist man als politische Kraft gehalten, sich zu positionieren...

Lehner: Das werden wir auch machen.

Sie sind in den Sozialen Medien sehr aktiv, erhalten dort auch eine große Aufmerksamkeit. Von welchen Kandidaten werden Sie die meisten Stimmen abzwacken und wäre es nicht in Ihrem Sinne, wenn Sie den falschen Kandidaten nach ihrer Meinung schwächen?

Lehner: Was oft an uns herangetragen wurde, ist, dass wir der Linken Stimmen abzwacken könnten. Das fänden wir natürlich schade. Meine Wunschvorstellung wäre, dass wir die Sitze der rechten Parteien erhalten, aber deren Wähler wollen wir natürlich nicht.

Gilt dabei der alte Spruch „Für einen guten Witz kann man eine Freundschaft riskieren“?

Lehner: Ich glaube nicht, dass uns Bernhard Sander direkt die Freundschaft kündigen wird. Die Linke hat auch eine andere Zielgruppe als wir, nämlich eine ältere.

Wenn es nach dem 13. September zu einer Stichwahl kommt, wird es von der Partei „Die Partei“ eine Empfehlung geben, wem man wählen sollte?

Lehner: Das kommt ganz auf die Angebote der jeweiligen Kandidaten an.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort