Katholische Kirche Michael Böhnke: „Menschenrechte müssten auch das kirchliche Recht begründen“

Wuppertal. · Dr. Michael Böhnke, Professor an der Bergischen Universität, spricht über Meinungsfreiheit in der katholischen Kirche und Sorgen angehender Lehrkräfte.

 Innerkirchliche Konflikte gibt es zuhauf.

Innerkirchliche Konflikte gibt es zuhauf.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Michael Böhnke leitet mit der Fachgruppe Systematische Theologie eine der insgesamt vier Disziplingruppen in der Katholischen Theologie der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften an der Bergischen Universität Wuppertal. Zu den Inhalten seines Lehrstuhls gehören die Religionsphilosophie, die Fundamentaltheologie, die Dogmatik, die theologische Ethik sowie die christlichen Sozialwissenschaften und manchmal auch das Kirchenrecht. „Systematische Theologie ist, und das mag verwundern, eine praktische Wissenschaft“, erklärt der gebürtige Ratinger. „Untersuchungsgegenstand von Fundamentaltheologie und Dogmatik ist die Praxis des christlichen Glaubens. Systematisch arbeitende Theologen studieren und erforschen diese Praxis, die von der Kirche, was die Inhalte angeht, einerseits normiert ist, aber andererseits auch von dem Glaubensakt der Einzelnen geprägt wird.“

Damit wolle er mit seinen Studierenden – einem Zitat von Ernst Lange, Nachfolger Dietrich Bonhoeffers, folgend – „die Kommunikation des Evangeliums“ kritisch begleiten. „Wir wollen ihr zuverlässige Wege eröffnen und wollen natürlich auf wissenschaftlicher Grundlage der christlichen Glaubenspraxis neue Möglichkeiten der Verständigung über sich selbst zuspielen.“

2017 organisiert Böhnke mit anderen Akteuren ein internationales Fachgespräch zum Thema „Menschenrechte in der Katholischen Kirche“ im Deutschen Historischen Institut in Rom, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). „Der universale Anspruch der Menschenrechte, überall und uneingeschränkt gelten zu wollen“, sagt er, „stellte dabei eine Herausforderung an die Ekklesiologie, an die Lehre der Kirche, die auch das Katholische Kirchenrecht betrifft, dar. Zwar setzt sich die Kirche und setzen sich innerkirchliche Gruppierungen wie etwa Misereor oder Adveniat oft mit Nachdruck für die Achtung und Durchsetzung der Menschenrechte zum Beispiel in Flüchtlingsfragen ein“, fährt er fort, „aber das Kirchenrecht selbst trägt bis heute nur sehr eingeschränkt zur Anerkennung und Durchsetzung der Menschenrechte bei. Und hier sehe ich einen großen Nachholbedarf. Die Menschenrechte müssten genauso wie das staatliche Recht, das kirchliche Recht begründen“, denn sie fungieren gleichermaßen als Grundlage für staatliches Recht und Kirchenrecht.

Standpunkte liegen
teilweise weit auseinander

Innerkirchliche Konflikte mit Rom gibt es zuhauf. Allein in der Presse- und Meinungsfreiheit liegen die Standpunkte weit auseinander. Bei den Studierenden fällt Böhnke auf, dass die Freiheitsrechte nicht im Vordergrund stehen. „Gleichheitsrechte, wie Genderfragen und Fragen der Inklusion etc. bestimmen den öffentlichen Diskurs und bestimmen das Bewusstsein unserer Studenten. An das Thema Freiheit muss man die Mehrzahl der Studierenden erst heranführen.“ Daher wundere es ihn auch nicht, dass es der Populismus, vor allem durch Donald Trump geschürt, mit der Verunglimpfung der Presse so leicht hatte, und auch die Kirche tue sich schwer mit Meinungsfreiheit und Pressefreiheit. „Manchmal habe ich den Eindruck, das betrifft jetzt staatliches wie auch kirchliches Handeln, dass in Bezug auf die Freiheitsrechte, das Rad der Geschichte mit Macht von den Mächtigen zurückgedreht werden soll. Mir fällt es gleichzeitig schwer, Kirche auch als Anwältin der Freiheitsrechte anzusehen, obwohl sie das von ihrer Grundbotschaft her sein will.“ Gott habe sich nämlich in Jesus Christus aus freiem Entschluss dazu bestimmt, nicht ohne die Menschen Gott sein zu wollen. Und damit habe er auf die Freiheit der Menschen gesetzt. „Von daher müsste die Kirche Anwältin der Freiheit sein. Und ohne Freiheit gibt es keinen Frieden“, sagt Böhnke bestimmt.

Ganz aktuell liest man in den Medien Titel wie „Köln stockt Termine für Kirchenaustritte auf“ und namhafte Historiker sehen die Katholische Kirche in absehbarer Zeit gar in ihrer Existenz bedroht. Da kommt schnell die Frage auf, ob die Kirche den Kontakt zu ihren Gläubigen verlieren könnte. Dazu Böhnke: „Die Kölner Kirchenleitung erweckt manchmal den Eindruck, als habe sie den Kontakt bereits verloren. Kirchenaustritte sind das eine Thema. Wir sind ja an einer Universität, in der sich über 400 Studierende darauf vorbereiten, als Lehrer in öffentlichen Schulen auch das Fach Katholische Religionslehre zu unterrichten. Und viele Studenten fragen zurzeit: Habe ich das falsche Fach gewählt?“ Es gehe nicht nur um einen Verlust an Kirchenmitgliedern, sondern es gehe ein Stück weit um die Zukunft der Kirche, und das sei auch schon vor den Missbrauchsvorwürfen zu beobachten gewesen. „Die Amtskirche erreicht immer weniger Menschen“, betont der Forscher, „es waren zunächst die am Rand Stehenden, die man nicht mehr erreicht hat und dann hat man auch schon unter Papst Benedikt XVI. die eigene Kerngemeinde nicht mehr erreicht. Es gab so etwas wie die Rede von einem vertikalen Schisma, zwischen oben und unten, und das hat sich ein Stück weit noch verstärkt, weil die Kölner Bistumsleitung sich auch schon von einem Teil ihrer Pfarrer und Priester verabschiedet hat. Da geht es nicht nur um Mitgliederzahlen. Da geht es darum, dass durch die Kirche ein Riss geht, der unabsehbare Folgen haben könnte.“

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