Mehr Studienabbrecher in Wuppertal

Erstsemester haben häufig falsche Vorstellungen vom Studium. Die Bergische Uni steuert mit Beratungsangeboten gegen.

Mehr Studienabbrecher in Wuppertal
Foto: dpa

Soll es Maschinenbau sein, Wirtschaftswissenschaften oder vielleicht soziale Arbeit? Oder doch besser ein Lehramts-Studium? Diese Entscheidung fällt jungen Menschen offenbar immer schwerer. Von allen Studienanfängern, die heute in den Erstsemestervorlesungen sitzen, kommt nur rund die Hälfte direkt von der Schule. Die anderen haben entweder ihr Fach gewechselt oder die Universität.

Die Zahlen dazu haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft: 2001 waren von 2912 Studienanfängern der Bergischen Universität noch 1836 in ihrem ersten Hochschulsemester, also etwa zwei Drittel. 2015 waren es von 6511 nur noch 3027, also weniger als die Hälfte. NRW-weit sieht es ähnlich aus. Seit dem Schuljahr 2012/2013, als die Gymnasialzeit auf zwölf Schuljahre verkürzt wurde, hat sich der Trend beschleunigt.

Prof. Andreas Frommer, Prorektor für Studium und Lehre der Bergischen Universität, sieht mehrere Faktoren für diese Unentschiedenheit: „Immer mehr Abiturienten aus Familien ohne akademischen Hintergrund studieren.“ Diese haben oft weniger Einblick in die Studienfächer und daraus folgende Berufe und weniger Unterstützung von zu Hause. Während Ende der sechziger Jahre nur zehn Prozent eines Jahrgangs studierten, sind es heute 50 Prozent.

Außerdem merken viele Studierende nach ein oder zwei Semestern, dass ihr Lieblingsfach aus der Schule an der Universität ganz andere Anforderungen stellt — dass sie beispielsweise in Germanistik auch Linguistik und Mittelhochdeutsch lernen müssen. Gerade Lehramtsstudenten wechseln relativ häufig am Anfang ihrer Studienkarriere noch eines ihrer Fächer. Und dann gibt es natürlich Studierende, die der Liebe in eine andere Stadt folgen. Gegen die Liebe hat die Universität natürlich nichts; aber für alle anderen Abiturienten und Studienanfänger weitet sie ihr Beratungsangebot ständig aus.

„Unsere Studienberatung bietet allen Schulen in der Region Sprechstunden an und zu unseren Schüler-Info-Tagen zu Jahresbeginn kommen 5000 Besucher“, erklärt Frommer. Studienanfänger werden nicht nur mit Begrüßungswoche und Ansprechpartnern beim Start in die neue Lebensphase unterstützt, sondern erhalten auch fachliche Hilfe. In Mathe- und Schreibwerkstätten lernen sie Grundtechniken wissenschaftlicher Arbeit — ohne Anmeldung, zu verschiedenen Terminen verfügbar.

Selbst Grundlagen seien heute zu Studienbeginn nicht selbstverständlich: „Ich hätte gerne, dass die Studenten sicher bruchrechnen können“, seufzt Frommer. Auch Christine Hummel, Leiterin der Zentralen Studienberatung, hat in vielen Gesprächen festgestellt: „Mathe ist häufig eine Hürde.“ Manche Studienanfänger informieren sich auch wenig und verpassen etwa die angebotenen Vorkurse im September. Insgesamt gebe es mehr Prüfungen als früher, sagt der Prorektor: „Dadurch bekommen die Studierenden früher Feedback zu ihrem Stand.“

Für die wissenschaftlichen Mitarbeiter bedeutet das allerdings auch mehr Arbeit bei der Betreuung der Studierenden. Pro Semester müssen Studierende 30 Leistungspunkte sammeln. Ein neues Uni-Projekt plant, Studierende frühzeitig zu kontaktieren, die das vielleicht nicht schaffen könnten. Neue Mitarbeiter, die „Studienzweifler“ ansprechen sollen, um unnötigen Frust zu vermeiden, wurden gerade eingestellt.

„Wir erleben, dass die Studierenden sehr erleichtert sind, wenn sie mit jemandem sprechen können“, sagt Christine Hummel. Die Probleme seien sehr individuell. Manche davon — etwa im Zusammenhang mit Bafög — können die Berater schnell klären. Für junge Menschen, die wirklich nicht mit dem Studium klar kommen, arbeiten sie eng mit der IHK, der Handwerkskammer und dem Arbeitsamt zusammen. Vor allem jedoch wünschen sich die Uni-Mitarbeiter, dass die Schüler ihr umfangreiches Beratungsangebot nutzen und sich wirklich mit ihrem Beruf auseinandersetzen, bevor das Studium beginnt.

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