Corona-Pandemie Rund 49.000 Wuppertaler sind noch in Kurzarbeit

Wuppertal · Bis zum 25. Juni sind bei der Agentur für Arbeit 3523 Anzeigen auf Kurzarbeit in Wuppertal eingegangen. Doch das ganze Ausmaß der Corona-bedingten Kurzarbeit wird wohl erst im August deutlich werden.

 Der symbolische Gang zum Arbeitsamt bleibt vielen Wuppertalern in der Kurzarbeit erspart.

Der symbolische Gang zum Arbeitsamt bleibt vielen Wuppertalern in der Kurzarbeit erspart.

Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Bis zum 25. Juni sind bei der Agentur für Arbeit 3523 Anzeigen auf Kurzarbeit für rund 49 000 Arbeitnehmer in Wuppertal eingegangen. In den vergangenen beiden Monaten war die Zahl der Neuanmeldungen für Kurzarbeit rückläufig. Doch von einer Entwarnung für die Wuppertaler Wirtschaft kann keine Rede sein. Bezogen auf die Gesamtzahl von rund 128 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist mehr als jeder dritte Arbeitnehmer in der Stadt von Kurzarbeit betroffen.

Das ganze Ausmaß der Corona-bedingten Kurzarbeit wird wohl erst im August deutlich werden, denn nicht für alle Personen in den Anzeigen erfolgt später auch tatsächlich Kurzarbeit. Zudem ist das Ausmaß des Arbeitsausfalles pro Kopf allein aus den Anzeigen nicht erkennbar. Bis zu drei Monate haben die Arbeitgeber Zeit, die Abrechnungsanträge für die Kurzarbeit zu stellen. Daher werden erst in einigen Wochen die Daten für eine Auswertung für kreisfreie Städte wie Wuppertal möglich sein. Die angezeigte Kurzarbeit betrifft aber alle Branchen im Bergischen Städtedreieck. Am stärksten von Kurzarbeit betroffen sind die Metall- und Elektro- sowie die Stahlindustrie, die Gastronomie; der Einzelhandel, das Baugewerbe und das Gesundheitswesen.

Ein neuer Shutdown muss unbedingt vermieden werden

„Unsere Wirtschaft ist mitten in der Rezession. Entscheidend wird sein, ob es gelingt, die Konjunktur über die Sommermonate weiter zu stabilisieren. Einen nochmaligen Shutdown im gesamten Land gilt es unbedingt zu vermeiden. Mit verantwortungsbewussten Schutz- und Hygienemaßnahmen, die ein wirtschaftliches und öffentliches Leben ermöglichen, können sich die Unternehmen aus dem Tal wieder nach oben arbeiten“, sagt Thomas Wängler, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer.

Kurzarbeit ist dabei eines der wichtigsten Instrumente, um Arbeitnehmer und Unternehmen durch die Coronakrise zu retten. Schon vor zehn Jahren in der Finanz- und Weltwirtschaftskrise wurden über die Kurzarbeit Millionen Arbeitsplätze und viele Produktionsstandorte gesichert. Als die Wirtschaft nach der Finanzkrise wieder ansprang, konnten die Firmen ihre Produktion mit dem bewährten Mitarbeiterstamm schnell wieder hochfahren.

In der Coronakrise wird ein längerer Atem erforderlich sein. Beschäftigte können Kurzarbeitergeld unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 21 Monate lang erhalten. Martin Klebe, Leiter der Agentur für Arbeit Solingen-Wuppertal, hat keinerlei Zweifel, dass diese „bestimmten Voraussetzungen“ aktuell gegeben sind. „Mit Ausnahme der Unternehmen, die bereits im vergangenen Jahr Kurzarbeit beantragt haben, wird diese Möglichkeit weiter offenstehen. Beim Kurzarbeitergeld handelt es sich nicht um eine Liquiditätshilfe“, sagt Martin Klebe. Ob eine drohende Insolvenz zu verhindern sei, hänge vielmehr vom Geschäftsmodell ab, das wegen der Auswirkungen der Coronakrise praktisch in jedem Unternehmen auf dem Prüfstand stehe. Ein Beispiel dafür, welche Konsequenzen eine solche Prüfung der Perspektiven in Zeiten der Pandemie haben kann, ist die Villa Media. Unternehmer Jörg Heynkes sieht keine Zukunft für sein Veranstaltungszentrum an der Viehhofstraße und sieht für den Gebäudekomplex nun andere Nutzungen vor.

Die Wirtschaftsdaten der IHK sprechen eine deutliche Sprache: Im Vergleich zum April 2019 ist der Industrieumsatz in Wuppertal im April 2020 um 22,5 Prozent gesunken. Im IHK-Bezirk verzeichneten die Metallerzeugung (minus 24,4 Prozent) und der Fahrzeugbau (minus 37,4 Prozent) im Vergleich zum Vorjahresquartal gewaltige Umsatzeinbrüche.

Die Lieferketten müssen geschlossen werden

Die Sorge vor einer Verschärfung der Lage im Herbst, wenn die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ausläuft, ist groß. Dann könnte eine Pleitewelle drohen, vor der die Wuppertaler Wirtschaft bisher verschont geblieben ist. Ein Hoffnungsschimmer zeichnet sich für die Automobilzulieferer im Bergischen Land ab. Die Automobilindustrie hatte im Frühjahr im großen Stil auf Kurzarbeit umgestellt. Große Hersteller wie Audi kündigten an, die Produktion wieder hochzufahren. Nun kommt es darauf an, die hochkomplizierten Lieferketten wieder zu schließen. Da alles just in time produziert werde, muss die Produktivität von Herstellern und Zulieferern wieder getaktet werden. Ein weiterer Lichtstreif am Horizont: Zuletzt wurden wieder mehr freie Stellen in Wuppertal gemeldet.

Thomas Wängler hofft für die IHK, dass die Maßnahmen des Konjunkturpakets der Bundesregierung greifen. Die Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags, die Entlastung bei der Ökostrom-Umlage (EEG) sowie zusätzliche Überbrückungshilfen von maximal 25 Milliarden Euro sind beschlossen. „Wie sich das Exportgeschäft entwickelt, hängt aber vor allem auch von der Pandemie-Entwicklung in anderen Ländern ab. Hier bereiten uns die USA – der wichtigste Exportmarkt für Bergische Unternehmen – große Sorgen“, sagt Wängler. Bei einer Exportquote von 59,4 Prozent, die deutlich über dem Landesdurchschnitt von 45,7 Prozent liegt, ist die wirtschaftliche Entwicklung in Wuppertal von vielen externen Faktoren abhängig - kein Grund zur Beruhigung in unsicheren und ungewissen Zeiten.

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