Wuppertal Markus Kiel - Der Mann, der Nazis keine Ruhe lässt

Markus Kiel hat ein Buch über den Wuppertaler NSDAP-Kreisleiter Alfred Straßweg geschrieben. Der Funktionär war bis zu seinem Tod Nationalsozialist und lebte in Wermelskirchen. Es ist Kiels zweites Buch.

Wuppertal: Markus Kiel - Der Mann, der Nazis keine Ruhe lässt
Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Oft verursacht es Kopfschütteln und Unverständnis, wenn herauskommt, wie ungeschoren manch ein strammer Nazi nach dem Krieg und nach dem Hitler-Regime davongekommen ist. Dennoch sollen, müssen diese Geschichten erzählt werden. Zuvor braucht es aber einen, der sie aufschreibt: Markus Kiel hat gerade seine Biografie über den Wuppertaler Kreisleiter Alfred Straßweg veröffentlicht. Neben Fakten über das Leben des bis zum Tode im hohen Alter überzeugten Nationalsozialisten machen einen großen Teil des Buches Straßwegs autobiografische Aufzeichnungen in kommentierter Form aus.

Markus Kiel, der hauptberuflich in der Verwaltung tätig ist, hat erst Sozialpädagogik und danach Erziehungswissenschaften und Psychologie studiert. Das wissenschaftliche Arbeiten hat er dort gelernt und später neben dem Beruf fortgeführt: 2013 hat er ein Sachbuch über den IHK-Präsidenten im Dritten Reich veröffentlicht. „Mich fasziniert vor allen Dingen die Suche nach Quellen“, so Kiel. „Einen Großteil meiner Unterlagen für mein erstes Buch bekam ich durch einen Flohmarkt-Fund.

Die autobiografischen Aufzeichnungen Straßwegs wurden ihm dann von einem Unternehmer, der von Kiels erster Veröffentlichung gelesen hatte, nach einigen intensiven Gesprächen überlassen. „Er wollte sicher gehen, dass ich mit dem Gedankengut, das sich in den Aufzeichnungen abzeichnet, nicht Unrechtes vorhabe.“ Von dem Historiker Klaus Wilhelm Goebel erhielt er einige Interviews, die dieser in den 1980er Jahren mit Alfred Straßweg geführt hatte. In diesen fand er auch die Aussage Straßwegs, nach der er sein Buch benannt hat: „Ich würde die NSDAP wieder wählen.“

„Das ist schon mehr als erschütternd, dass er diesen Satz Mitte der 1980er Jahre über die Lippen zu bringen vermag“, betont Kiel. „Das und auch alle anderen Aufzeichnungen, die ich in meinem Buch verarbeite, zeigen, dass der Mann überhaupt nichts gelernt hat.“

Bis zu seinem Tod im Jahr 1997 — da war er 95 Jahre alt — hat Straßweg in seinem Geburtsort Wermelskirchen gelebt. „Da hieß es immer: Wenn der alte Straßweg wählen geht, dann ist sicher, dass die NPD wieder eine Stimme bekommen hat“, so Kiel. Das habe er in Gesprächen vor Ort erfahren. Bis zum 19. Juni 1948 saß Straßweg in Internierungshaft, danach konnte der gelernte Malermeister einen eigenen Betrieb gründen.

Unter Hitler legte Straßweg eine steile Karriere hin. Mit 23 Jahren trat er in die NSDAP ein. 1927 wurde er Leiter der Ortsgruppe Wermelskirchen, 1928 dann Gaukommissar im Bergischen Land. Später wurde er Kreisleiter im Bergischen Land, dann in Solingen und ab 1937 in Wuppertal. Außerdem zog er in den Preußischen Landtag ein von November 1933 bis Kriegsende in den Reichstag. „Ein ungeschriebenes Blatt war er keineswegs. Als Kreisleiter war er direkt dem Gauleiter unterstellt und dafür verantwortlich, dass keine Andersdenkenden Ärger machten“, so der Autor. Darüber hinaus wurde der Funktionär zu Hitlers 50. Geburtstag in die Reichskanzlei eingeladen — was wiederum Schlüsse auf seine Stellung zulässt.

„Straßweg hat die Verbrechen des Nazi-Regimes sein Leben lang relativiert. Die Reichpogromnacht im November 1938 etwa: Das sei eine Panne gewesen. Hätte der Gauleiter Florian nicht geschlafen, wären die massiven Übergriffe auf Juden verhindert worden, hat er behauptet“, so Kiel. Nach seiner Auffassung seien da ein paar junge Wilde einfach zu weit gegangen. „Das ist hämisch, zynisch und menschenverachtend“, sagt Kiel. Tatsächlich wurden in der Nacht vom 9. auf den 10. November im gesamten Land Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung verübt — organisiert und gelenkt vom NS-Regime. Dabei starben 400 Menschen. Tausenden Synagogen und jüdische Geschäfte brannten und wurden zerstört.

„Straßweg verdreht die Tatsachen in seinen Äußerungen immer wieder so, dass er behaupten kann, der Nationalsozialismus habe unendlich viel Gutes für die Menschen getan, lediglich ein paar Wenige hätten über die Stränge geschlagen“, erklärt Markus Kiel. Auch den Holocaust leugnete Straßweg zeitlebens. Birgt es dann nicht eine gewisse Gefahr, diese Gedanken auf Papier zu drucken und für jedermann zugänglich zu machen? „Die Ausgabe ist ja komplett kommentiert, da kann nichts falsch verstanden werden. Und wer eh schon rechtem Gedankengut verfallen ist, der wird sich seine Informationen woanders herholen als aus meinem Buch“, vermutet Kiel.

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