Theater Männer in einer Ausnahmesituation

Wuppertal · Theater und Chanson – „Double Feature“ des Insel-Vereins im Café Ada begeistert.

 Hans Werner (l.) und Stefan Otto stellten gegensätzlich Chratktere dar.

Hans Werner (l.) und Stefan Otto stellten gegensätzlich Chratktere dar.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Warteschlangen vor Veranstaltungsorten – was früher einfach dazugehörte, zeugt mittlerweile vom Nachholbedürfnis nach den langen Lockdown-Monaten. Entsprechend aufgekratzt war die Stimmung unter den Kulturhungrigen, die am Freitagabend vor dem Café Ada warteten. Und das „Double Feature“, das die Veranstalter des Insel-Vereins versprachen, erfüllte alle ihre Erwartungen. Denn die 80 Gäste, die im Schachbrettmuster vor der Bühne saßen, erlebten nicht nur starkes Theater mit Stefan und Hans Werner Otto. Schwer zu toppen war auch der Auftritt des Chanson-Duos Canaille du Jour.

Mit Slawomir Mrozeks „Striptease“ greifen die Brüder Otto auf ein Stück zurück, das 1963 seine deutschsprachige Premiere in Wuppertal hatte. Auch wenn das schon etwas her ist – die Situation, in die der polnische Autor seine Figuren hineinwirft, kommt dem Corona-erfahrenen Zuschauer irgendwie bekannt vor. Von der Außenwelt isoliert, finden sich zwei Herren in einem Raum wieder. Wie sie hineingekommen sind, bleibt unklar. Die Tür fällt zu, und die Rückkehr in den Alltag scheint nicht mehr möglich.

Mit der Ausnahmesituation gehen die beiden Männer gänzlich verschieden um – genug Stoff also für verbale wie körperliche Auseinandersetzungen, was die Zuschauer zu großem Gelächter brachte. Einen Kopfmenschen verkörperte Stefan Otto, der sich allzu lange in seine „innere Freiheit“ zurückzog. Sein Bruder dagegen spielte einen Mann der Tat, der buchstäblich mit dem Kopf durch die Wand wollte. Einen ausgeprägten Charakter hatten auch die Töne, die Kontrabassistin Barbara Jansen live beisteuerte und die viel zur beklemmenden Atmosphäre beitrugen. Dass die Bewegungsabläufe der Schauspieler so gut saßen, lag an Tänzerin Bénédicte Billiet, die an der Inszenierung mitgearbeitet hatte.

Für Begeisterung sorgte auch die stilistische Beweglichkeit, die Sänger Max Christian Graeff und sein Pianist Christov Rolla in ihrem Chansonsprogramm „Mitgefühl zum Teufel“ vorführten. Auf der Tour de Poésie durch den musikalischen Kosmos von Canaille du Jour fanden Blues und Schubert, Seemannsschlager, Pop und selbst George Gershwin Platz.

Wenn mein Klavier
leise weint

Dass in diesem Duo ein Bergischer und ein Schweizer zusammenwirken, machte Graeff explizit zum Thema. Sein Beitrag zum vergangenen Engels-Jahr war ein Lied, in dem er die spöttischen Bemerkungen des Jubilars über die Eidgenossen zitierte – worauf Rolla mit gespielter Empörung reagierte.

Noch schöner aber waren die unnachahmlichen Übersetzungen, die Graeff auf die Melodien legte. „Wenn mein Klavier leise weint“ verneigte sich vor der Gitarren-Elegie von Beatle George Harrison, während Elvis‘ „Heartbreak Hotel“ als „Grand Hotel zum gebrochenen Herzen“ daherkam. Und wenn Zeit für ein Solo war, machte Graeff sein kräftiges Organ zum zweiten Instrument, das jedem Ton seinen Stempel aufdrückte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort