Fußball-Regionalliga Wuppertaler SV versucht einen Neustart

Wuppertal · Der Traditions-Verein hat Insolvenz angemeldet, will aber weiter ind er Fußball-Regionalliga West spielen. In der kommenden Woche will er sich zum finanziellen und sportlichen Konzept äußern. Am Donenrstag wurde Alexander Voigt als neuer Trainer vorgestellt.

 Das Wuppertaler Stadion am Zoo hat schon Bundesliga-Spiele gesehen und aktuell eine der schönsten Arenen in der Regionalliga West. Nun soll ein drohender weiterer Absturz des Wuppertaler verhindert werden.

Das Wuppertaler Stadion am Zoo hat schon Bundesliga-Spiele gesehen und aktuell eine der schönsten Arenen in der Regionalliga West. Nun soll ein drohender weiterer Absturz des Wuppertaler verhindert werden.

Foto: Fries, Stefan (fr)

„Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an, mit 66 Jahren, da hat man Spaß daran“, heißt es in einem bekannten Schlager von Udo Jürgens. Der Wuppertaler SV, einer der Traditionsvereine im Fußball-Westen mit Vergangenheit sogar in der 1. Liga, ist am 8. Juli 66 Jahre alt geworden. Spaß hatte er zuletzt weniger, hat die vergangene Saison in der viertklassigen Regionalliga-West nur mit Mühe und einem Mini-Etat überstanden und vor zwei Wochen Insolvenz angemeldet, um zum zweiten Mal binnen sieben Jahren auf diese Weise und ohne Schuldenlast einen Neuanfang machen zu können. Durch Sonderbestimmungen in Corona-Zeiten könnte der auch ohne Punktabzug weiter in der Regionalliga vollzogen werden.

Noch prüft ein so genannter Sachwalter, ob dem Verein – wie beantragt – eine Insolvenz in Eigenverwaltung erlaubt wird. Als erstes positives Zeichen hat der WSV am Donnerstag einen neuen Trainer präsentiert: Ex-Gladbach- und Köln-Profi Alexander Voigt, der in der vergangenen Saison schon einmal ehrenamtlich für sieben Spiele an der Seitenlinie fungiert hatte, bevor er zwischenzeitlich Manager der Footballer der Cologne Corocodiles wurde, kehrt zurück. Diesmal ausgestattet mit einem Ein-Jahres-Vertrag.

Ex-Profi Alexander Voigt ist
als Trainer der erste Baustein

Es soll die erste gute Nachricht auf dem Weg sein, den man mit Hilfe von Ex-Präsident Friedhelm Runge gehen will. Nämlich einen Etat aufzustellen, mit dem man in der Regionalliga, die in der kommenden Saison mit derzeit 21 Teams zur besonderen Herausforderung wird, konkurrenzfähig ist und nicht wieder gleich gegen den Abstieg spielen muss. Nur durch eine Verstärkung in der Winterpause, in der mit Marwin Studtrucker, Tolga Cokkosan und Yannick Geisler Ex-Spieler von Wattenscheid 09 kamen, das nach Insolvenz den Spielbetrieb eingestellt hatte, hievte man sich auf Tabellenplatz 13. Der hätte auch unter normalen Umständen (coronabedingt gibt es keine Absteiger) zum Klassenerhalt gereicht. Ohne Runge hätten zuletzt die Spielergehälter nicht mehr gezahlt werden können.

Diese Mannschaft soll nun die Basis für das neue Team bilden. Offiziell gibt es erst drei Verträge mit Nachwuchsspielern. Weitere sollen bereits unterschrieben sein. Vor einer Bekanntgabe will man sich aber wohl noch die Zustimmung des Sachwalters holen.

Offiziell entscheidungsberechtigt ist weiter der Vorstand um Ex-Spieler und -Trainer Thomas Richter und Steuerberaterin Melanie Drees. Im Isolvenzverfahren soll Ulrich Zerrath helfen, der bereits Insolvenzverwalter beim ebenfalls von Runge unterstützten Oberligisten Westfalia Herne ist. Ziel ist, einen Etat von 1,4 Millionen Euro aufzustellen, Runge ist nach eigenem Bekunden bereit, 500 000 Euro zu tragen. Für ein tragfähiges Konzept werden weitere Unterstützer gesucht. Keine leichte Aufgabe nach dem Schlingerkurs des Vereins in den vergangenen Jahren, auch weil die Gläubiger und Bürgen mit ins Boot geholt werden müssen. Die Gesamtverbindlichkeiten liegen bei geschätzt 1,2 bis 1,4 Millionen Euro.

Die Zusammenarbeit mit Friedhelm Runge, 81 Jahre alt, erfolgreicher Geschäftsmann (Emka-Gruppe), gilt als schwierig. Wuppertals Kämmerer Johannes Slawig hatte als Grundvoraussetzung für eine weitere Unterstützung des WSV durch städtische Töchter schon einmal gesagt, dass Runge kein Amt im Verein übernehmen dürfe. Das will Runge nach eigenem Bekunden auch nicht. Die Fanszene des WSV fürchtet dennoch, dass der Verein wieder in zu starke Abhängigkeit zu Runge geraten könnte, wie in den Jahren 1991 bis 2013, in denen er durch Darlehen, die der WSV wohl nie mehr hätte zurückzahlen können, immer wieder Etatlöcher gestopft hatte. Letzter großer sportlicher Erfolg der Ära Runge war 2008 das Erreichen des DFB-Pokal-Achtelfinales, das der WSV vor 61 482 Zuschauern in der Schalke-Arena ehrenvoll mit 2:5 gegen Bayern München verlor.

Letztlich sahen die Runge-Nachfolger der Bewegung WSV 2.0 nur den Weg einer Insolvenz. Der Neuanfang 2013 war vielversprechend, mit viel Euphorie in der Stadt und einer breiten Unterstützerschaft. Doch gerade im Erfolg – nach zwei Jahren gelang der Wiederaufstieg in die Regionalliga – wurden die größten Fehler gemacht. Viele Unterstützer sprangen ab, weil sie den Kurs finanziell als zu risikoreich ansahen. Das Konzept 2020, das jährliche Etatsteigerungen vorsah, um bis dahin das Ziel 3. Liga anpeilen zu können, scheiterte kläglich – und führte nur zur Anhäufung neuer Schulden.

„Der Verwaltungsrat hat sich für den Weg der erneuten Insolvenz entschieden und ist froh, dass Friedhelm Runge den Weg als Ankersponsor mitgeht“, sagt der Verwaltungsratsvorsitzende Christian Vorbau. Wege über mögliche ausländische Investoren, die man über den zwischendurch zurückgekehrten und im April wieder abgetretenen 2.0-Präsidenten Alexander Eichner versucht hatte, hätten sich als Luftschlösser erwiesen. Die von Eichner vor einem Jahr auf den Weg gebrachte neue Satzung würde Ausgliederungen von Kapitalgesellschaften möglich machen.

Mit offiziellen Äußerungen ist der WSV aktuell äußerst sparsam. Die Lage gilt als fragil. Selbst der sportliche Erfolg der Jugendabteilung, die zur neuen Saison mit C-, B- und A-Jugend in den höchsten deutschen Jugendspielklassen vertreten sein wird, wurde nach außen kaum gefeiert. Für kommende Woche ist nun eine Pressekonferenz in Aussicht gestellt, auf der es Auskünfte über die finanzielle und sportliche Zukunft geben soll. Für den 17. Juli ist der Trainingsauftakt angesetzt. „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“? Die Hoffnung ist da, auch wenn mancher nur in einem Neuanfang auf niedrigerem Niveau eine Zukunft sieht.

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