Wie „Meister Pröpper“ zur Wuppertaler Legende wurde

Auf dem Platz versetzte er die gegnerischen Abwehrreihen in Angst und Schrecken, privat ist er bescheiden geblieben.

Wuppertal. Es war vor 40 Jahren, genau am 31. Oktober 1971, da spielte der Wuppertaler SV als Spitzenreiter der Regionalliga West, damals der zweithöchsten Klasse, beim Rivalen Rot-Weiss Essen im Georg-Melches-Stadion an der Hafenstraße. Die Ränge waren voll besetzt, und als die Nummer 9 des WSV, Günter Pröpper, vom Stadionsprecher genannt wurde, da erscholl ein vielstimmiges Pfeifkonzert. Schließlich war der Mittelstürmer vor zwei Jahren von RWE zum WSV gewechselt.

Doch aus dem Pfeifen wurde ungläubiges Staunen, und als Günter Pröpper kurz vor Schluss von Trainer Horst Buhtz ausgewechselt wurde, da erhoben sich auch die fanatischsten Essener Fans und applaudierten dem knapp 30-Jährigen: Er hatte zum 5:0-Sieg des WSV vier Treffer beigesteuert, den hünenhaften Vorstopper Hermann Erlhoff bei Kopfball-Duellen ebenso übersprungen wie Torhüter Heinz Blaseys Fäuste. Und während sich die Verantwortlichen von RWE schwarz ärgerten, dass sie den „Stehgeiger“ für nach heutigen Maßstäben eher symbolische 30 000 Mark hatten ziehen lassen, waren die vielen mitgereisten WSV-Fans glücklich, den „Meister“ bei sich zu wissen.

Und die Freude sollte noch gesteigert werden, denn Günter Pröpper kam in dieser Saison bei 28 Einsätzen (in zwei Spielen war er verletzt) auf sagenhafte 52 Torerfolge. Ein Rekord, der nie mehr auch nur annähernd erreicht wurde. Das ist der Stoff, aus dem Legenden sind. So haben ehemalige und aktuelle WSV-Fans Günter Pröpper, der heute seinen 70. Geburtstag feiert, ganz tief in ihr Herz geschlossen.

Damals war das Toreschießen schließlich auch nicht leichter als heute, denn Mittelstürmer wurden noch vom Vorstopper gedeckt. Das waren meist fußballerisch limitierte Haudraufs, deren Aufgabe darin bestand, die gegnerische Nummer 9 auszuschalten. Treten, halten, schlagen: die Mittel waren nicht immer vornehm. Doch die Antwort des Meisters, benannt in Anlehnung an die Werbefigur Meister Propper, bestand aus drei Argumenten: Tore, Tore, Tore. Stürmerfouls waren ihm ebenso unbekannt wie Schwalben.

Spricht man ihn auf seine Serie an, dann kommt, typisch Pröpper, die bescheidene Antwort: „Damals haben die anderen Jungs auch für mich gespielt. Gustl Jung, Manni Reichert, „Eia“ Cremer oder Dieter Lömm haben mich mit genauen Flanken versorgt, die ich nur noch reinköpfen musste.“

Geboren wurde Günter Pröpper am 8. Dezember 1941 im westfälischen Dorsten als eins von acht Geschwistern (vier Fußball spielende Brüder, vier Schwestern), deren Vater im Krieg geblieben war. Da waren selbst die Vereinsbeiträge beim BVH Dorsten ein fast unlösbares Problem, und es war keine Frage, dass Günter mit 14 in die Lehre ging. Bergmannslehrling auf der Zeche Fürst Leopold Baldur mit dem für damalige Verhältnisse fürstlichen Salär von 150 Mark monatlich, die in der klammen Haushaltskasse dringend benötigt wurden. „Eine Superausbildung auf der Zeche“, erinnert sich der rüstige Rentner, der im BVH-Dress als Halbstürmer für Furore sorgte, mit 18 in die „Erste“ berufen wurde und maßgeblich an den Aufstiegen in die Bezirksklasse und in die Landesliga beteiligt war.

Der Zweitligist VfL Osnabrück, dessen Mittelstürmer übrigens Udo Lattek hieß, wurde auf ihn aufmerksam. Der spätere Erfolgstrainer („ein feiner Kerl, der Udo“, so Pröppers Urteil über Lattek), spielte fortan in der Abwehr, und der nur mittelgroße Günter wurde auch im lila Dress des VfL zum Torgaranten. Mit 25 Treffern wurde er Torschützenkönig der Saison 1966/67.

Etliche Clubs interessierten sich nun für den eher schmächtigen Mann mit dem wuchtigen Kopfball und der beidfüßigen Schussstärke, aber RWE machte das beste Angebot und bekam den Zuschlag.

Doch es klingt heute noch kaum glaubhaft: Nach einem guten Jahr, bei dem Willi „Ente“ Lippens und Günter Pröpper unter Trainer Erich Ribbeck (ein WSV-Eigengewächs) jede Menge Treffer markierten, kam Kuno Klötzer ans sportliche Ruder. Klötzer, der 1968 den WSV vor dem Abstieg gerettet hatte, setzte statt auf Pröpper vornehmlich auf den Ex-Gelsenkirchener Tonk, was für den „Meister“, wie ihn die RWE-Fans getauft hatten, die Reservebank bedeutete.

Doch dann kam der WSV, besorgte dem gelernten Schweißer eine Stelle bei der Schulverwaltung. Eine Garantie auf das Trikot mit der Nummer 9 besorgte er sich selbst, denn Trainer Horst Buhtz, dem der damali- ge Vorstand mit wachsendem Erfolg freie Hand ließ, wusste, was er an Pröpper hatte.

Und das galt nach dem triumphalen Aufstieg mit 16:0-Punkten in der Aufstiegrunde auch für die Bundesliga. Da hießen die Gegner nun Rolf Rüssmann, „Katsche“ Schwarzenbeck oder Uwe Kliemann, waren rund 20 Zentimeter größer und fußballerisch besser ausgebildet. Nützte ihnen aber nix, denn Günter Pröpper wurde hinter Gerd Müller und Jupp Heynckes mit 21 Toren drittbester Schütze der Saison 1972/73. Torjäger seines Kalibers werden heute mit Gold aufgewogen, doch Günter Pröpper ist nicht neidisch auf die Kloses, Gomez’ oder Cissés. „Wir hatten damals eine tolle Truppe und wurden in Ruhe gelassen.“ Für Günter Pröpper ein wichtiges Kriterium, denn sich selbst im Mittelpunkt zu sehen, das ist nicht seine Sache.

1974 ein bitterer Moment für den Mann, den sie einst auf den Schultern vom Platz trugen: Als Janos Bedl, der Horst Buhtz folgte, ihn beim inzwischen abstiegsbedrohten WSV auswechselte, da pfiffen sie ihn aus und beschimpften ihn. „Das hat sehr wehgetan“, erinnert sich der „Meister“, der dem WSV trotzdem die Treue hielt, von den nachfolgenden Trainern wie Diethelm Ferner, Herbert Burdenski, Erhard Ahmann oder Bernd Hoss auch als Libero eingesetzt wurde. Seine Erfahrung als Spieler brachte er auch bei den WSV-Amateuren ein, einmal sogar als Torhüter.

Trainer, das wollte er nur mit der Vorsilbe „Co“ sein. „Da muss man auch mal knallhart sein, und das ist nicht meine Welt“, sagt einer, der seine Grenzen kennt, der in sich ruht und ein glücklicher Mensch und Familienvater ist.

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