Bergischer HC Szilágyi geht zum THW Kiel: „Der Bergische HC war für mich genau der richtige Verein“

Viktor Szilágyi verlässt den BHC in Richtung THW Kiel. Im WZ-Interview spricht über seine Zeit im Bergischen und den besonderen Weg der BHC-Handballer.

Bergischer HC: Szilágyi geht zum THW Kiel: „Der Bergische HC war für mich genau der richtige Verein“
Foto: Otto Krschak

Seine offizielle Verabschiedung hat Viktor Szilágyi schon vor gut einer Woche beim letzten BHC-Heimspiel des Jahres in der Uni-Halle gehabt. Nach den beiden Auswärtsspielen in Coburg und Dresden ist für den österreichischen Rekordnationalspieler und Champions-League-Sieger nun endgültig der Abschied vom Bergischen HC gekommen. In fünfeinhalb Jahren als Spieler und zuletzt als Sportlicher Leiter hat er wesentlich zu den Erfolgen der Bergischen Elitehandballer in dieser Zeit beigetragen. Zum ersten Januar wird er Sportlicher Leiter beim großen THW Kiel. Wir sprachen mit dem 39-Jährigen über seine Zeit beim BHC.

Als Sie 2012 zum BHC kamen, war der gerade in die 2. Liga abgestiegen und versuchte nach einem personellen Umbruch den Wiederaufstieg. Inwieweit ist die Situation mit der aktuellen Vergleichbar, wo sie nach dem Sieg in Dresden am Dienstag nach 20 Spielen mit 38:2-Punkten voll auf Kurs liegen?

Viktor Szilágyi: Ich kann nur meine persönliche Situation vergleichen. Als ich mich dazu entschieden habe, zum BHC zu gehen, stand die Mannschaft noch mitten im Abstiegskampf, aber mit relativ guten Karten. Stefan Adam und HaDe Schmitz waren meine ersten Ansprechpartner. Da sieht man, wie schnell sich das ändert. Jörg Föste habe ich auch sehr früh kennengerlernt, als ich das erste Mal in Wuppertal war, und Sebastian Hinze wirklich erst im Sommer, als ich parallel zu meinem Umzug ein Treffen mit Stefan und Sebastian hatte. Ich glaube, dass in diesem Moment sehr, sehr viele Entscheidungen richtig getroffen worden sind. In erster Linie mit dem Trainer. Er hatte eine erfahrene Mannschaft zur Verfügung, die ihm sicher über die Anfangszeit geholfen hat, aber schlussendlich ist auch Sebastian ein Trainer, der sich unglaublich schnell persönlich und sportlich entwickelt hat, alles aufgesogen hat, obwohl er im Profi-Herrenbereich noch keine Erfahrung hatte. Die Mannschaft hat sehr schnell zueinander gefunden. Man muss aber sagen, dass der Start viel holpriger war als jetzt.

Warum glauben Sie, ist es jetzt glatter gegangen?

Szilágy: Ich glaube, dass die Erfahrung, die aktuell in der Mannschaft ist, um einiges höher war, als damals. Spieler wie Fabian Gutbrod, Nippi oder Arnor haben schon viel Bundesliga-Erfahrung. Damals hatte man zuvor gerade ein Jahr in der Bundesliga gespielt und das am Ende eben nicht erfolgreich. Dazu kamen mit Michael Hegemann und mir nur noch zwei Spieler mit Bundesliga-Erfahrung. Hinzu kommt, dass man in dieser Saison, für die zweite Liga untypisch, sehr, sehr viel Qualität verpflichten konnte. Zwei schwedische Nationalspieler etwa. Die Neuen haben von Anfang an, sehr viel Schwung hereingebracht. Ich glaube, dass die aktuelle Mannschaft qualitativ höher anzusiedeln ist als die damalige.

Inwieweit waren Sie bei der Rekrutierung der Zugänge beteiligt? Sie sind ja im Winter wieder voll als Spieler reaktiviert worden.

Szilágyi: Die Intensivste Phase vom Scouting und Erstkontakt her war ja bis Dezember. Klar habe ich da teilweise auch noch gespielt, und es war für mich sicher die anstrengendste Phase. Vormittags zum Training, dann ins Büro und am Abend wieder zum Training. Aufgrund dieser Erfahrung fiel dann auch die Entscheidung, mich in der Wintervorbereitung wieder voll auf meine Rolle als Spieler zu konzentrieren.

Wie habt Ihr es in der sportlich prekären Lage geschafft, so hochwertige Spieler vom BHC zu überzeugen?

Szilágyi: Natürlich haben wir diese Situation klar angesprochen. Wir haben aber genauso längerfristige Ziele. Wir haben die Garantie gegeben, dass im Falle eines Abstiegs identisch professionelle Bedingungen geschaffen werden. Das ist Spielern, die eine hohe Qualität haben und sich weiterentwickeln wollen, elementar wichtig. Ihnen wird Perspektive gegeben. Der Vereine hat ganz klare Ziele, etwa, was ein Leistungszentrum angeht oder eine Arena. Die Spieler denken ja nicht von einem aufs andere Jahr, sondern haben einen längerfristigen Karriereplan.

War das auch damals für Sie der Grund, zu sagen, ich zieh das durch, als der Abstieg für den BHC feststand?

Szilágyi: Der Gedanke an die zweite Liga war für mich anfangs schwierig. Es hat schon noch ein paar Wochen gedauert, bis man gesagt hat, okay, ich gehe diesen Weg. Aber für mich war dann eben auch wichtig, dass perspektivisch gut gearbeitet wird, dass es ein junger Verein ist, der sich entwickeln wird. Dass Leute in dem Verein arbeiten, die keine utopischen Ziele haben, sondern Visionen und dafür alles tun. Das ist eine einmalige Situation, auch, was das Ehrenamt hier betrifft. Man merkt ab dem ersten Spieltag, wie viel Energie im BHC insgesamt steckt. Wichtig ist, dass man sich mit der Idee des Vereins identifizieren kann und das ist bei mir sehr schnell gegangen. Dann war da auch der Gedanke, aufgrund der gesundheitlichen Situation, dass ich meine Karriere noch ein, zwei Jahre fortsetzen, aber eine geringere Spielbelastung haben wollte, sprich keine Europapokalspiele. Das war sicher auch der Grund, warum es noch möglich war, sogar drei, vier Jahre auf diesem Niveau zu spielen.

Sie waren nicht nur der Mann der entscheidenden Tore, sondern auch der mit der großen Kniebandage. Wie viele Sorgen musste man sich denn machen?

Szilágyi: Sorgen macht man sich immer. Ich hatte 2006 eine Kreuzbandverletzung, ein Jahr Pause, aber danach wieder sehr, sehr viele Spiele in den Knochen. Ich habe bei einem Medizintest die Risiken offengelegt. Auch der Verein hat sicher eine Risikoabwägung gemacht. Aber die Diskussion, was das Knie betrifft, hatte es zuvor in Gummersbach und Flensburg auch schon gegeben. Als damals nach der Verletzung das Knie wieder in Ordnung, aber das Bein muskulär noch nicht wieder voll aufgebaut war, ist die Entscheidung gefallen, die Schiene unterstützend zu tragen. Dann habe ich irgendwie den Moment verpasst, sie wieder abzulegen. Und dann ist man in einem Alter, wo man sagt, jetzt bringt es auch nichts mehr, sie abzulegen. Jeder, der mich spielen gesehen hat, weiß, dass es meine Spielweise ist, mich immer am Limit zu bewegen. Da kann man sich nicht schonen. Die Schiene war wichtig für den Kopf. Ich habe die Verantwortung sie quasi weitergeben.

Hätten Sie 2012 gedacht, dass Sie so lange beim BHC bleiben? Es ist ja Ihr längster Karriereabschnitt.

Szilágyi: Nein, wirklich nicht. Ich bin davon ausgegangen, die letzten zwei Jahre meiner Karriere beim BHC zu verbringen, alles da reinzuhauen. Natürlich war das Riesenziel mit dem BHC aufzusteigen und dann das erste Jahr Bundesliga zu spielen und den Klassenerhalt zu schaffen. Aber längerfristige Pläne gab es da eigentlich gar nicht. Das hat sich durch meine Karriere gezogen. Ich hatte nie den längerfristigen Karriereplan und habe es immer wieder geschafft, durch die kurzfristigen Ziele, die ich mir gesetzt habe, mich zu 100 Prozent mit den Vereinen und deren Idee zu identifizieren. Jeder Tag, nachdem ich hier war, war eine Bestätigung, dass es der richtige Schritt war. Wir haben dann sehr schnell gemerkt, dass es passt und wir haben verlängert, auch schon mit dem Plan Sportlicher Leiter. Und dann kam die letzte Saison, die alles andere als planbar war, geschweige denn so verlaufen ist, wie wir uns das gewünscht hatten.

Wie sind Sie überhaupt auf den BHC gekommen?

Szilágyi: Der erste Kontakt war durch Stefan Aadam und HaDe Schmitz. Zu HaDe Schmitz war der Kontakt nie abgerissen, seit er bei Essen mein Sportlicher Leiter gewesen war. Er hatte damals schon für meinen Wechsel zum TuSEM gesorgt. Was mir ab dem ersten Tag gefallen hat, auch bei Jörg Föste, war die Transparenz und Offenheit. Da wurden alles sofort angesprochen, auch Sachen, die nicht so ideal sind, die man lösen muss, lösen will.

Was war das zum Beispiel?

Szilagyi: Damals waren es noch drei oder vier Hallen, in denen wir trainiert haben. Das hat sich jetzt auf zwei reduziert, was noch keine Idealsituation ist, aber es verbessert sich Schritt für Schritt. Man hat weiter Nachteile gegenüber den Konkurrenten in der ersten Liga, aber, was man perfekt macht, ist, dass man alle Ressourcen maximal ausschöpft. Was die Zukunft betrifft, ist es allerdings elementar wichtig, dass sich in der Hallenfrage etwas tut.

Wie oft sind Sie damals gefragt worden, BHC, wer?

Szilagyi: Man merkte schon, vor allem im Ausland, dass die Leute Schwierigkeiten hatten, den Bergischen HC zu platzieren. Aber die Zeiten sind vorbei. Spätestens nach unserem Auftritt im Pokal-Final-Four weiß jeder, dass der BHC aus Solingen und Wuppertal kommt.

Inwieweit glauben Sie, war auch der Name Viktor Szilágyi da ein Türöffner?

Sizlágyi: Das kann ich nicht beziffern. Ich war natürlich bei vielen Vereinen, die ein großes Standing im Handball haben. Aber allein in den vier Jahren, in denen ich noch mit der Nationalmannschaft unterwegs war, ist man natürlich ein Repräsentant für den BHC. Das gilt auch jetzt bei der EM in Kroatien für die BHC-Spieler.

Wo würden Sie den BHC in Ihrer Karriere ansiedeln?

Szilágyi: Ich möchte da keine Rangliste aufstellen. Ich glaube, dass es immer zur richtigen Zeit der richtige Verein für mich war. Der BHC war genau der richtige, bei dem ich meine Erfahrungen einsetzen und weitergeben konnte.

Gibt es Top-drei-Momente in Ihrer BHC-Zeit?

Szilágyi: Sicher gehört das Final Four in Hamburg dazu, das zusammen erlebt zu haben, trotz der Enttäuschung im Halbfinale. Genauso waren die Siege in Balingen und Berlin unvergesslich, die jeweils richtungweisend für den Klassenerhalt waren. Was aber eigentlich viel, viel wichtiger war und für die ganze Zeit beim BHC spricht, ist, wie man aus negativen Phasen und Durststrecken, die es immer gibt, herausgekommen ist. Diese Ruhe, und wirklich in Ruhe zu analysieren. Das heißt ja nicht, dass wir nicht kritisch und emotional miteinander umgegangen sind. Aber das ist immer hinter verschlossenen Türen passiert. Ich würde über die fünfeinhalb Jahre sagen, dass fast ausschließlich richtige Entscheidungen aus diesen Krisensituationen heraus getroffen wurden. Und das ist eine riesengroße Qualität, die bei weitem nicht alle Vereine haben.

Inwieweit glauben Sie, dass der tolle Zweitliga-Start des BHC, Kiel mit dazu bewogen hat, Sie in der Verantwortung als Sportlichen Leiter zu holen.

Szilágyi: Ab dem Zeitpunkt, als ich meine Karriere beendet habe, kamen immer wieder Anfragen, aber ich habe mich nie wirklich damit beschäftigt. Beispielsweise im Sommer und auch in der Vorbereitungsphase gab es einfach nichts anderes, als das Ziel, mit dem BHC, ich sage mal Wiedergutmachung zu betreiben. Die ersten Gespräche mit dem THW waren dann wirklich erst, als wir den Start positiv gestaltet hatten. Da habe ich an mir selber gemerkt, dass ich mir über das Angebot vom THW Gedanken mache. Ich habe auch sofort das Gespräch mit Jörg Föste gesucht und mit Sebastian Hinze und Philipp Tychy. Wir waren ja so eine Viererkombo, die immer vertrauensvoll zusammengearbeitet hat. Bei so einem Wechsel bleibt zwar immer etwas hängen, aber ich hoffe, dass alle meine Beweggründe nachvollziehen können.

Haben Sie in Kiel schon eine neue Wohnung?

Szilágyi: Ja, wir haben uns für ein Haus entschieden, nicht weit von da, wo wir auch damals bei meiner Zeit in Kiel gewohnt haben, nördlich vom Nord-Ostsee-Kanal.

Sind sie gleich ab 1. Januar dann in Kiel?

Szilagyi: Vermutlich erst ab Mitte Januar. Ich mache ja gerade noch ein Mastersstudium in Köln, wo in der zweiten Januarwoche noch eine Präsenzphase ist.

An wen übergeben Sie Ihre Aufgaben beim BHC?

Szilágyi: Es sind viele Bereiche.Einige administrative Dinge bespreche ich mit Philipp Tychy. Alles was Planung, Scouting und Ideen für die neue Mannschaft betrifft, sind Sebastian Hinze und Jörg Föste die Ansprechpartner. Ich habe sehr bald, nachdem mein Wechsel feststand, alle meine Erkenntnisse an sie weitergegeben. Ich bin aber auch weiter für sie ansprechbar, genauso wie ich glaube, dass ich den Austausch mit Ihnen brauchen werde. Alle haben mir versichert, dass ich immer die Möglichkeit habe, sie anzurufen.

Glauben Sie, dass alle Aufgaben beim BHC nun im kleineren Zirkel zu lösen sind?

Szilágyi: Kurzfristig ja. Viele Sachen sind ja weit vorangebracht. Was die Zukunft betrifft, müssen die Beteiligten sich unterhalten, inwieweit man das schafft oder die Notwendigkeit besteht, die Position neu zu besetzen. Ich denke, dass es für einen Profiverein schon wichtig ist. Es ist wichtig für den Trainer, dass er jemanden hat, mit dem er sich austauschen kann. Genauso ist es gut, wenn zwischen Trainer und Geschäftsführung ein Kommunikator ist und genauso die Spieler nicht nur mit dem Trainer ihre Dinge besprechen müssen.

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