Pilotprojekt: Kicken ohne Schiedsrichter

Fairplay: Bei einem Pilotprojekt zeigen junge Fußballer, dass ein Unparteiischer nicht notwendig ist.

Wuppertal. Kein Schiedsrichter. Die Kinder entscheiden selbst, wer den Ball ausgeschossen oder ein Foulspiel begangen hat. Was bei Straßenfußballern tausendfach funktioniert, auch wenn mal ein hitziges Wort fällt, ist ganz offenbar auch auf die Jüngsten beim Jugendfußball zu übertragen. Nur ein einziges Mal mussten am vergangenen Samstag beim Spiel der F2-Mannschaften des TSV Ronsdorf und der Sportfreunde Dönberg die beiden Trainer eingreifen, weil ein Junge gefallen war. Kurze Spielunterbrechung, dann ging es weiter — auch ohne erregte verbale Reaktionen der zuschauenden Eltern.

„Man kann jetzt schon sagen, dass der Start in unsere Fairplay-Liga gelungen ist”, sagte der Vorsitzende des Jugendausschusses des Fußballkreises Wuppertal, Karl Häger. Der Verband hatte gleich zehn der elf Teams, die sich für den Auftakt des Pilotprojektes in Wuppertal gemeldet hatten, zur Waldkampfbahn eingeladen. Dort fanden die ersten fünf Spiele ohne Schiedsrichter statt.

Aufklärungsarbeit bei den Trainern zum Thema Fairplay und Selbstverantwortung der Kinder war schon zuvor geleistet worden. „Klar, das war schon komisch für uns. Normal sagst du den Kindern, spielt weiter, solange der Schiedsrichter den Ball nicht ausgegeben hat. Jetzt sage ich ihnen, wenn ihr ihn zuletzt berührt habt, gebt ihn ab“, beschreibt Dönbergs Trainer Nils Schülke den Bewusstseinswandel, der sich auf mehreren Ebenen abspielt. Auch bei den Eltern: Mike Spieker bleibt draußen ganz ruhig, als sein kleiner Sohn Leon von seinem Gegenspieler weggeschoben und so am Torschuss gehindert wird. Die Kinder und auch die Trainer lassen weiterlaufen. „Wenn ein Schiri da gewesen wäre, hätte ich bestimmt Foul gerufen, aber wenn die Kinder das selbst regeln sollen, ist das halt so”, kommentiert Vater Spieker gelassen.

„Sicher klappt das nicht immer, die Eltern müssen schon mitspielen und natürlich wird es auch mal strittigere Szenen geben”, sagt Karl Häger und weiß von einem Fall aus Aachen zu berichten, wo Eltern dann doch auf das Spielfeld gestürmt waren.

In Aachen war das Konzept der Fairplay-Liga vor vier Jahren aus der Taufe gehoben worden. Michael Kurz vom Wuppertaler Kreisjugendausschuss gefiel die Idee so gut, dass er sie jetzt nach Wuppertal holte. „Wir hoffen, dass wir in den nächsten zwei Jahren auch hier die positiven Auswirkungen spüren, wenn die Kinder den Fairplay-Gedanken verinnerlicht haben”, erklärt er vielen Spielervätern- und -müttern bei einer kleinen Informationsveranstaltung.

Von Schiedsrichtern aus Düsseldorf habe er beispielsweise gehört, dass Kinder, die Fairplay-Liga gespielt haben, auch später viel leichter zu leiten seien. Auch von außen gebe es weniger Hektik. Für Eltern heißt es: Positiv anfeuern ja — aber nicht versuchen, von außen Einfluss zu nehmen und die eigenen Kinder eventuell damit verunsichern. Das Motto lautet: „Gebt den Kindern das Spiel zurück.”

Das Spiel gegen Dönberg gewannen die Ronsdorfer deutlich, was aber keine Rolle spielte, denn Ergebnisse werden in der Fairplay-Liga nicht notiert. Die Kinder sollen Spaß am Spiel haben und lernen, Verantwortung zu übernehmen. Vielleicht war es ja nur Zufall, aber irgendwie passte es ins Bild, dass der kleine Zaron vom TSV seinem Gegenspieler, der bei der Abwehraktion hingefallen ist, aufhalf, bevor er sich mit sich selbst und dem gerade erfolgreich abgeschlossenen Torschuss beschäftigte.

In Ronsdorf war am Samstag die Fußballwelt jedenfalls in Ordnung.

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