Mein erstes Mal (9): Beim Dju-Su sind Skrupel fehl am Platz

Wie Selbstverteidigung richtig klappt, lernt man beim SSV Germania.

Mein erstes Mal (9): Beim Dju-Su sind Skrupel fehl am Platz
Foto: Gerhard Bartsch

Cronenberg. Das erste Dju-Su-Training. Vordringlicher als die Frage, wie ich mich bei dieser Selbstverteidigung anstellen werde, ist diese: Wie spricht man Dju-Su eigentlich aus? Der erste Laut ist derselbe wie in „Dschungel“, „Su“ hat ein stimmloses „s“ wie in „Maß“.

Beim Betreten der Turnhalle an der Berghauser Straße 45, einer der vier Trainingsstätten des SSV Germania, verbeugen sich die 16 Erwachsenen. Damit erkennen sie die Regeln im Übungsraum an. Dann reihen sie sich gemäß ihres Ranges — weißer, gelber, orangefarbener, grüner, blauer und brauner Gürtel — gegenüber den beiden Trainern auf. Ich als Anfänger stehe ganz links.

Nach dem Begrüßungsritual und einer schmerzhaften Dehnphase beginnt die „Grundschule“: Block-, Schlag- und Tritttechniken, kombiniert in einem Bewegungsablauf. Die höheren Grade rechts von mir agieren beeindruckend. Ich schreite zunächst vorwärts, vorderes Bein angewinkelt, hinteres durchgestreckt — klappt.

Knifflig wird es bei der Selbstverteidigung. Trainingspartner Arne, zehn Jahre Dju-Su-Erfahrung, hält meine Handgelenke fest. Und jetzt? Bei Trainer Fabian Horn sah das einfach aus. Beim Nachmachen verliert man schnell den Überblick. „Irgendwann speichert das Gehirn die Bewegungsabfolge“, beruhigt Arne. Immerhin: Das Schocken, ein angedeuteter Tritt vor Arnes Schienbein, gelingt auf Anhieb.

Nach einigen Wiederholungen sitzt auch die Kombination: Tritt, Arme nach unten rucken, nach oben herauswinden, Ellbogenschlag gegen den Kopf. Man muss sich schließlich wehren. „Dabei soll die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben“, erklärt Trainer Fabian Horn. Ein bloßer Griff an den Kragen rechtfertige zum Beispiel keinen Kopftritt. Ein Würgeangriff sei etwas anderes: „Ich muss davon ausgehen, dass mein Gegenüber mich töten will.“

Dju-Su ist keine Wettkampfsportart, weil nicht Ästhetik, sondern Effizienz im Vordergrund steht, besonders geeignet für die Straßen-Selbstverteidigung. Das Prinzip: Sich per Ausweichen oder Block schützen, den Angreifer per Schlag oder Tritt schocken und ihn mit einem Wurf zu Boden bringen.

Skrupel sind fehl am Platz: Bei den nächsten Übungen motiviert mich Arne, ihm den Daumen fest zusammenzudrücken, seinen Arm zu verdrehen, ihm mit Kraft zu Boden zu werfen. Schließlich probe man für den Ernstfall — natürlich trotz allem mit-, nicht gegeneinander.

Nach eineinhalb Stunden Training spüre ich meine Unterarme vom Blocken und von so manchem Hebel, der mich wehrlos gemacht hat. Trotzdem fühle ich mich dank vieler Erfolgserlebnisse gut: Dju-Su ist für jeden geeignet, da es weder auf Alter, Geschlecht noch Konstitution ankommt. Technik zählt — je einfacher, desto effektiver.

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