„Ich bin gegen die Kollektivstrafe“

Peter Frese, Präsident des Deutschen Judobundes und Chef von „Judo and more“ im Sportforum Hofkamp, erlebt in Rio seine fünften Olympischen Spiele. Er stärkt IOC-Chef Thomas Bach den Rücken.

„Ich bin gegen die Kollektivstrafe“
Foto: David Young

Wuppertal/Rio. Bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro wird Peter Frese auf der Tribüne Platz nehmen. Als Präsident des Deutschen Judobundes hätte er auch an der Seite der Athleten im Maracana-Stadion Samba tanzen dürfen, aber bei seinen fünften Olympischen Spielen möchte Frese das große Erlebnis der Eröffnungsfeier einmal aus einem anderen Blickwinkel genießen.

Seit 2000 ist Judoka Frese bei Olympischen Spielen als Funktionär dabei — seit 2004, als Präsident des Judobundes, der in schöner Regelmäßigkeit für die Initialzündung im deutschen Olympiateam sorgt. Bei seiner Abreise nach Rio beschäftigten ihn aber nicht allein die Medaillenhoffnungen der sechs Kämpferinnen und sieben Kämpfer, sondern vor allem die Doping-Diskussion und die Forderungen nach dem Ausschluss aller russischen Sportler.

Peter Frese, Präsident des Deutschen Judobundes

„Der pauschalen Kritik an IOC—Chef Thomas Bach schließe ich mich nicht an“, sagt Peter Frese, auch wenn er nicht ausschließen könne, dass in Rio einer der deutschen Kämpfer einem gedopten Gegner auf der Matte gegenüberstehen wird. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass jetzt bei uns die Kollektivstrafe gelten soll und das Startverbot für das gesamte Olympiateam Russlands gilt. Ich bin gegen die Kollektivstrafe. Wir müssen Verstöße nachweisen können“, sagt Frese. Daher habe Thomas Bach nicht anders entscheiden können, als den Verbänden die Verantwortung für mögliche Startverbote zu überlassen.

Man dürfe nicht die Einzelschicksale aus dem Blick verlieren. „Ich habe selbst miterlebt, dass ein Sportler, der vom Olympiaboykott 1980 betroffen war, daran zerbrochen ist“, erinnert sich der Verbandschef von rund 200 000 Judoka in Deutschland. „Die Sportler investierten sehr viel — manche bereiten sich zwölf Jahre lang auf den olympischen Wettkampf vor.“

Im Judo entscheide sich dann alles an einem Wettkampftag. In Rio müsse vieles zusammen kommen, damit der Traum von einer Medaille Wirklichkeit wird. Sechs seiner Kämpferinnen und Kämpfer traut er eine Medaille zu. „Wenn die Tagesform stimmt, wenn die Kampfrichter uns wohlgesonnen sind, wenn die Gegner in der richtigen Reihenfolge kommen — es können zwei Medaillen werden, aber wir können auch leer ausgehen“, sagt der gebürtige Remscheider, der in seiner Amtszeit eine Reihe hochkarätiger Judo-Wettbewerbe in die Uni-Halle geholt hat.

Frese wird mit sieben anderen Funktionären ein Apartment bewohnen. An den ersten Wettkampftagen wird er kaum die Halle im Olympiazentrum Barra verlassen. Judokämpfe sind eine nervenaufreibende Angelegenheit — sie können in Sekundenbruchteilen entschieden sein, aber auch zum zermürbenden Kräftemessen werden.

„Ich werde mit Sicherheit wieder einige Kilo allein schon beim Zuschauen verlieren.“ Viel Zeit für den Blick auf andere Sportarten bleibt ihm nicht. Doch zumindest bei den Handballern möchte der Chef der Judoka gerne einmal vorbeischauen.

Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit zum Wiedersehen mit Handball-Bundestrainer Dagur Sigurdsson, der einst als Spieler des HC Wuppertal unter Anleitung von Peter Frese das Krafttraining absolvierte. „Die Isländer sind so, wie Sportler sein müssen Ich liebe diese Positiv-Verrückten, wie es auch im Judo viele gibt.“

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