Handball „Es ist fast unmöglich, Sebastian zu überraschen“

Wuppertal · Interview Kiels Sportlicher Leiter Viktor Szilágyi zeigt vor dem Duell mit seinem Ex-Verein viel Respekt für den BHC.

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Foto: nn

Fünfeinhalb Jahre lang war Viktor Szilágyi beim Bergischen HC Spieler und am Ende Sportlicher Leiter. Im Januar übernahm er den Posten als Sportlicher Leiter beim THW Kiel. Vor dem Aufeinandertreffen beider Teams am Donnerstag sprachen wir mit dem 40 Jahre alten Österreicher.

Im Januar haben Sie den Bergischen HC nach fünfeinhalb erfolgreichen Jahren verlassen, mit welchem Gefühl kehren Sie am Donnerstag mit Kiel zurück?

Szilágyi: Hauptsächlich mit einer großen Vorfreude, alle Leute wiederzutreffen. In fünfeinhalb Jahren ist da einiges zusammengewachsen, gab es viele Wegbegleiter, angefangen bei den Fans, den Ehrenamtlichen und allen, die eng mit der Mannschaft zusammen sind.

Sie waren noch mit in die Planung des jetzigen Kaders eingebunden. Hätten Sie gedacht, dass der BHC in der ersten Liga derart einschlagen würde?

Szilágyi: Grundsätzlich war die große Herausforderung, trotz des drohenden Abstiegs die Spieler vom Weg des BHC zu überzeugen, eine starke Mannschaft zusammenzustellen, die in der zweiten Liga dominant würde auftreten können, und, sollte der Aufstieg gelingen, nur noch punktuelle Veränderungen braucht. Wie wertvoll das ist, wenn man eine eingespielte Mannschaft hat, sieht man an diesem Beispiel.

Was beeindruckt Sie an der bisherigen Saison des BHC am meisten?

Szilágyi: Die Stabilität und die Konstanz, die der BHC zeigt. Die Mannschaft findet in vielen Spielen immer wieder die richtigen Antworten, gerade auch in den Partien, in denen nicht alles perfekt lief. Es war klar erkennbar, mit welchem Ziel man in ein Spiel geht und dass man da auch dranbleibt. Das zeigt sich darin, dass man einige knappe Spiele gewinnen konnte, aber genauso schon dominante Auftritte hatte wie gegen Lemgo. Auch wenn der Start in einigen Spielen nicht gut war, ließ man sich nicht von seiner Idee abbringen.

Vor wem haben Sie vor dem Duell am meisten Respekt?

Szilágyi: Schwer zu sagen. Ich glaube, dass den BHC gerade die Geschlossenheit ausmacht. Der BHC spielt eine sehr, sehr gute Abwehr, man sieht, dass alle gut eingespielt sind, jeder kennt seine Rolle. Gerade jetzt, wo Fabian Gutbrod wieder dabei ist, hat man unterschiedliche Typen. Auch die beiden Mittelmänner sind sehr unterschiedlich. Ich weiß, wie akribisch Sebastian Hinze die Mannschaft auf jedes einzelne Spiel einstellt. Eigentlich ist es fast unmöglich, ihn mit irgendetwas zu überraschen. Der BHC hat insgesamt eine Mannschaft, bei der man sich nicht auf den einen oder anderen konzentrieren darf, sondern man muss sie als Einheit bearbeiten. Das wird eine große Aufgabe für uns. Wir fahren mit viel Respekt nach Düsseldorf.

Mit wem vom BHC haben Sie regelmäßig Kontakt?

Szilágyi: Am meisten mit Sebastian Hinze. Wir sind regelmäßig im Austausch. Wir hatten schon beim BHC ein immer innigeres, sehr offenes, ehrliches Verhältnis. Ich schätze ihn auch sehr als Fachmann. Es hat immer einen Mehrwert, wenn man sich mit Sebastian über Handball unterhält. Auch mit Jörg Föste hatte ich Kontakt, nicht nur bei der HBL-Sitzung, sondern auch bei dem ein oder anderen Telefonat. Mit den Spielern ist es weniger geworden.

Kiel hat Sie als Sportlichen Leiter mit dem Ziel verpflichtet, die Mannschaft zu alter Stärke zurückzuführen. Was von den Erfahrungen beim BHC, konnten Sie dabei am besten gebrauchen?

Sziláyi: Für mich war das damals der Einstieg in neue Themen, nicht nur die Kaderplanung. Fast täglich wurde man mit neuen Herausforderungen konfrontiert, da lernt man schnell dazu. Es waren die ersten Schritte - eine sehr, sehr wichtige Zeit. Hier in Kiel habe ich nun einen größeren Verantwortungsbereich.

Der BHC-Weg, vor allem die Ruhe in Krisenzeiten, wie Sie es selbst mal formuliert haben - können Sie davon bei einem so großen Club wie dem THW etwas übernehmen?

Sziláyi: Auf jeden Fall. Ruhe heißt ja nicht, dass man nicht tätig ist. Wichtig ist, dass man keine vorschnellen Entscheidungen trifft, wie uns das teilweise aus der Fußball-Bundesliga vorgemacht wird, sondern erst genau analysiert und die Signale richtig einschätzt – da kann man sicher etwas übertragen. Andererseits ist es hier natürlich eine andere Situation. Der Fokus liegt nicht nur regional, sondern auch überregional auf dem THW Kiel. Da wird sehr viel diskutiert. Wir wollen ja auch polarisieren und interessieren. Je mehr aber von außen hereingetragen wird, umso wichtiger ist, dass man intern eine Einigkeit hat. Das ist auch eine Erfahrung vom BHC, da ist uns dies immer gut gelungen.

Ist Kiel in dieser Saison schon ein Titelkandidat?

Szilágyi: Titelkandidat ja, da gibt es mehrere. Aber wenn man wirklich am Ende der Saison ganz oben stehen will, muss alles passen. Wir haben noch eine Weltmeisterschaft vor uns, bei der unsere Spieler sehr gefordert werden. Entscheidend kann wieder die Frage sein, wie man verletzungstechnisch durch die Saison kommt. Unser Ziel ist, die Champions League zu erreichen. So wie die Ausgangssituation momentan ist, muss man dazu mindestens den zweiten Platz erreichen.

Wie ist der Stand vor der Partie beim BHC verletzungstechnisch?

Szilágyi: Pekeler und Weinhold sind zurück, haben beide am Sonntag gegen Göppingen gespielt. Nikola Bilyk ist noch verletzt, das wird, so wie es aussieht, knapp oder nicht funktionieren. Am Sonntag hat sich Niclas Ekberg bei einem Zusammenprall verletzt und musste untersucht werden, um eine Gehirnerschütterung auszuschließen. Ansonsten wirkt die Mannschaft gut. Am Sonntag war sie ein bisschen müde, weil es gegen Göppingen ein großer Kampf war, wir aber auch eine sehr harte Trainingswoche davor hatten. Für uns beginnt jetzt eine sehr intensive Phase mit dem EHF-Pokal, der ab Sonntag dazukommt, der Bundesliga und dann dem Viertelfinale im DHB-Pokal. Das Spiel gegen den BHC ist der Startschuss zu fünf Spielen in zwölf Tagen. Deshalb hoffen wir, dass die angeschlagenen Spieler da zur Verfügung stehen. Wir werden andererseits aber auch kein Risiko eingehen, denn wir werden in den kommenden Wochen alle Spieler brauchen.

Natürlich fällt Kiel am Donnerstag die Favoritenrolle zu. Ist es dabei ein Vorteil, im großen ISS Dome zu spielen, statt in den kleineren Hallen in Wuppertal oder Solingen?

Szilágyi: Ich denke schon, dass es eher ein Vorteil für uns ist, weil es immer schwieriger ist, in kleineren, engeren und proppevollen Hallen zu spielen. Ich kenne ja aus eigener Erfahrung die Kraft der Klingenhalle und der Uni-Halle.

Wo sehen Sie den THW am Saisonende?

Szilágyi: Wir ordnen alles unserem großen Saisonziel unter, wieder die Champions League zu erreichen. Es tut einfach weh, da zuschauen zu müssen. Ich sehe uns auf einem guten Weg, wir haben eine Serie gestartet (neun Siege in Folge, d. Red.). Ich weiß aber, wie schwierig es bis zum Erreichen des Ziels noch sein wird. Jeder Spieltag ist ein großer Kampf um die Punkte. Das wird vor allem jetzt auch am Donnerstag so sein. Wir gehen mit viel Selbstvertrauen in die Partie gegen den BHC, aber der Gegner wird sicher auch viel Selbstvertrauen haben und hat aus seiner Außenseiterrolle des öfteren schon sehr viel gemacht.

Wo sehen Sie den BHC am Saisonende?

Szilágyi: Das hängt von vielen Faktoren ab. Wie geht man mit den Herausforderungen, die sicher noch kommen werden, um? Wir haben gesehen, wie schnell es gehen kann: Maciej Majdzinskis Verletzung war wirklich ein Schock, auch für mich. Es tut mir nicht nur für Maciej leid, sondern auch für den BHC, der als Mannschaft sehr kompakt auftritt. Jeder, der da herausfällt, ist eine Schwächung. Die große Frage ist, wie man solche Ausfälle kompensieren kann. Aber ich glaube, dass sich der BHC, wenn er sich so stabilisiert wie er sich aktuell präsentiert, in der oberen Tabellenhälfte wiederfinden wird.

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