Wuppertal Sven Petry über das Wagnis der Freiheit

Wuppertal · Theologe Sven Petry sprach beim Lesefestival „Lang-Lese“ über rechte Hetze.

Andreas Bialas und Sven Petry, Exmann von Frauke Petry, beim Langerfelder Lesefestival in der Alten Kirche Langerfeld.

Andreas Bialas und Sven Petry, Exmann von Frauke Petry, beim Langerfelder Lesefestival in der Alten Kirche Langerfeld.

Foto: Bartsch,G. (b13)

Sven Petry wollte der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Bialas beim Langerfelder Lesefestival unbedingt dabei haben. Absolut verständlich. Denn das Motto der „Lang-Lese“ – „Gegen Gewalt“ – fasst Petrys Anliegen bündig zusammen. In seinem Buch „Fürchtet euch nicht!“ stellt er sich gegen Hetze vom rechten Rand. Gleichzeitig sucht er nach einer Erklärung, warum gerade im Osten Deutschlands radikale Gruppen wie AfD und Pegida regen Zulauf haben. Seinen Gesprächspartner Bialas traf der Theologe in der Alten Kirche Langerfeld.

Sven Petry? Dieser Name kann einen stutzig machen. Das liegt an seiner Ex-Frau Frauke Petry, die bis 2017 zur AfD-Spitze gehörte. Während sie in die Politik ging, ist er bis heute seiner Pfarrgemeinde im Leipziger Umland treu. Dabei kommt der Kirchenmann ursprünglich aus „dem ziemlich tiefen Westen“. Geboren im ostwestfälischen Lemgo, lebte er bis zum Abitur im Ruhrgebiet und war damals schon viel unterwegs. „Als ich in Bergkamen aufgewachsen bin, war ich auch mal in Wuppertal“, stellte er sich seinen 40 Zuhörern vor.

Populisten nutzen „Angst als politische Währung“

Im Interview mit Petry nahm Bialas die „Wessi“-Perspektive ein und fragte nach den Verhältnissen in den nicht mehr so neuen Bundesländern. Protestdemonstrationen, rechtsextreme Gewalttaten – „was wollen die denn noch?“ Mit klarer, sonorer Stimme lieferte Petry Antworten von dem Pult aus, wo in der Alten Kirche sonst gepredigt wird.

 Angst als „politische Währung“ einsetzen – darin sah Petry eine Strategie, die Populisten in West wie Ost vereint. Im Osten falle Populismus jedoch auf einen ganz anderen Boden. Nach Mauerfall und Wende hätten sich viele Westdeutsche in ihrer Weltsicht bestärkt gefühlt. „Im Zweifelsfall war das, was aus dem Westen kam, das Richtige. Ängste und Sorgen haben die, die sich abgehängt fühlen.“

Von diffusen, irrationalen Ängsten wollte Petry nicht sprechen. Seiner Erfahrung nach hätten viele Bürger in Sachsen und den Nachbarregionen konkrete Befürchtungen. Von Veränderung als Chance wollten sie nichts wissen. „Veränderung“ sei oft genug als Verlust erlebt worden. Verlust des eigenen Arbeitsplatzes. Verlust von geliebten Menschen, die auf der Suche nach Arbeit wegziehen. Verlust von Infrastruktur. Wenn es im Ort keine Schule, keine Feuerwehr und auch kein eigenes Pfarramt mehr gebe, sei das für die Anwohner eine persönliche Kränkung. Die verbreiteten Ängste vor Veränderung nutzten rechte Demagogen als Einfallstor.

Das Publikum war nicht immer Petrys Meinung

Dieser Darstellung wollten sich nicht alle im Publikum anschließen. Abbau von Arbeitsplätzen und Infrastruktur? „Das war doch auch hier so“, meinte eine Zuhörerin und erntete von mehreren Seiten Zustimmung. Diesen Einwand ließ Petry jedoch nicht gelten. Der Strukturwandel, den er selbst als Jugendlicher in Bergkamen erlebte, habe sich über drei Generationen erstreckt. In Sachsen dagegen habe sich der Prozess „komprimiert in einer Generation“ abgespielt.

Die Gemüter beruhigten sich, als Petry sein Fazit aus der kritischen Diagnose zog. Es werde nicht gelingen, zutiefst verunsicherten Bürgern ihre Ängste auszureden. Dennoch müsse der Dialog immer wieder neu geführt werden. Der Titel seines Buchs, „Fürchtet euch nicht!“, lasse sich entsprechend auch als „Ihr seid nicht allein“ verstehen. Den Feinden der Demokratie müsse man sich allerdings selbstbewusst entgegenstellen. „Vielleicht müssen wir mehr von der Freiheit erzählen“, meinte Petry. „Wir müssen erzählen, warum sich das Wagnis der Freiheit lohnt.“

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