Lesung Kurzgeschichten aus dem Taxi

Langerfeld. · Jochen Rausch las in Langerfeld über ungewöhnliche Taxifahrten.

Etwas Licht reicht für eine stimmungsvolle Lesung: Jochen Rausch

Etwas Licht reicht für eine stimmungsvolle Lesung: Jochen Rausch

Foto: Bartsch,G. (b13)

Das Literaturfestival „Langlese“ ist in vollem Gang. Am Samstagabend war Musiker, Journalist und Schriftsteller Jochen Rausch zu Gast im Langerfelder Jugendzentrum, im Gepäck sein Anfang 2017 veröffentlichter Kurzgeschichtenband „Im Taxi“.

In 120 ebenso komischen wie berührenden Episoden erzählt Rausch von Gesprächen mit Taxifahrern in ganz Deutschland – über prominente Fahrgäste, vorangegangene Berufe, Heimatländer und Schicksalsschläge. Alle Geschichten hat Jochen Rausch tatsächlich erzählt bekommen, wenn auch nicht im genauen Wortlaut.

Taxifahrer sein ist für kaum einen der eigentliche Plan

Im Gespräch mit Andreas Bialas, Mitverantwortlicher für die Programmgestaltung des Festivals, ging er dem Potenzial des Phänomens Taxifahren auf den Grund. Lange Zeit habe er die meisten Strecken mit dem Auto zurückgelegt, erzählte Rausch, erst nach zehn Jahren als Berufspendler sei er wieder auf den öffentlichen Nahverkehr umgestiegen und bewältige kürzere Strecken seither häufiger mit dem Taxi.

Dass hier spannende Geschichten schlummern, erklärt er sich durch die Besonderheiten des Berufs: „Ich habe noch keinen getroffen, der mir erzählt hat, dass er unbedingt Taxi fahren wollte.“ Die meisten hätten zuvor andere Tätigkeiten ausgeübt, bis in ihrem Leben etwas passiert sei. So etwa der ehemalige Polizist, der eigentlich Tänzer werden wollte, die Altenpflegerin, die in Gedanken noch in der DDR lebt oder der Hobbymusiker, der bis zu einem tragischen Autounfall Gitarre gespielt hat und sich schließlich bei Jochen Rausch fürs Zuhören bedankte. Ein „wahres Soziogramm unserer Gesellschaft“ nannte Andreas Bialas Rauschs Begegnungen. Das sei jedoch auch umgekehrt der Fall, so Rausch, die Taxifahrer bekämen das wahre Soziogramm zu sehen.

Allerdings laufen nicht alle Gespräche friedlich ab. So reagierte ein Fahrer wütend auf die Frage, wo er denn herkomme – er würde seine Fahrgäste ja schließlich auch nur fragen, wo sie hinwollen. Dass er seine Familie in Sarajevo verloren hatte, erklärte die schroffe Antwort. „Wir Menschen untereinander sind eigentlich der spannendste Rohstoff, den es so gibt“, fand Rausch.

Er treffe auf viele unheimlich gebildete Fahrer, denen aber dem Klischee nach von vielen Fahrgästen mit Respektlosigkeit begegnet wird. Allerdings gebe es den Erzählungen nach auch Menschen, die sich einfach irgendwohin fahren lassen, um nur in Gesellschaft zu sein. „Man erfährt da wirklich Sachen, die fürs Leben interessant sind“, betonte Rausch, der schon mehrfach nach Erreichen des Ziels im Taxi sitzen geblieben ist, um die Gespräche zu Ende zu führen.

Inzwischen habe er eine Fragetechnik entwickelt, um schnell auf den Kern einer Geschichte zu kommen, verriet Rausch. Es gehe ihm allerdings nicht darum, den Fahrern Skandalträchtiges zu entlocken, sondern um persönliche Einblicke. „Ich frage meistens zuerst: ‚Wie geht es Ihnen?‘“

Damit liegt die Entscheidung, was sie erzählen, letztendlich bei seinen Interviewpartnern. „Das geht natürlich nur in einer gewissen Anonymität“, so Jochen Rausch über die Vorteile dieser besonderen Gesprächssituation. „Würde man ihnen ein Mikro unter die Nase halten, würden sie niemals so unbefangen reden.“ Doch auch wenn eine Meinung nicht seiner entspreche, würde er nicht anfangen zu diskutieren, sondern die Fahrer erzählen lassen. Daraus zog Rausch zum Abschluss des Abends eine Lektion für das generelle heutige Miteinander: „Wenn Menschen ein Unbehagen haben, dann nützt es nichts, zu sagen ‚Musst du doch nicht‘. Man muss sich damit auseinandersetzen.“

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