Kunst und Wissenschaft vereinen

Der Jour Fixe des Freien Netz Werks Kultur fand erstmals im Wuppertal Institut statt.

Kunst und Wissenschaft vereinen
Foto: Stefan Fries

Was am Ende zu sehen war, war ein Bild in blau, orange, grün und gelb. Es war die grafisch aufgezeichnete Version des Jour Fixe des Freien Netz Werks Kultur in der Aula des Wuppertal Instituts. Die Manifestation des Gesagten, des Vagen, der Findung zweier sich annähernder Partner.

Dalibor Relic von Raketa Design hat die Vorträge an diesem Abend mitgezeichnet. Hat den Worten Bilder zugeordnet und sie in einen Zusammenhang gebracht, sie in ein geordnetes Chaos aus Strichen, Worten und Farben verwandelt.

Der Abend war als „Brückenschlag zwischen Kultur und Transformation“ gedacht, so beschrieb es Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts. Einer, von dem er nicht gewusst habe, wie viele daran teilhaben wollten. Denn die Brücke zwischen Kunst und Wissenschaft ist nicht unbedingt eine intuitive. Und keine etablierte. Die Zusammenkunft beider Akteure war ebenso neu wie das sogenannte Grafic Recording von Relic für die Beteiligten.

Schneidewind bat aber in einem engagierten Vortrag darum, der Verbindung eine Chance zu geben. Dass Zusammentreffen nicht nur bei diesem Abend zu belassen. Denn er sieht die Kunst als Vermittlungshilfe für das, was die Wissenschaft produziert. Er sprach von dem System der „instrumentalen Vernunft“, das an seine Grenzen gerate. „Wir können erklären, warum unser Lebensstil in die Sackgasse führt. Wir stehen damit aber vor dem Nichts“, sagte er. Die Wissenschaft stehe vor einem „doppelten Scherbenhaufen“ — denn die Wissenschaft habe trotz aller Erkenntnisse in Sachen Klima- und Verkehrspolitik wenig erreicht. Und das Wenige werde gerade von Populisten angezweifelt, dagegen werde mobilisiert.

Schneidewind plädierte deswegen für „neue Zugangsformen“, „wenn wir Veränderung anstoßen wollen“. Die sieht er etwa in der Verbindung von Wissenschaft und Kunst.

Allein der Standort des Wuppertal Instituts stellte er als symbolisch da. Einerseits oberhalb des künftigen Pina-Bausch-Zentrums und nah an der Börse. Andererseits sehe Schneidewind von seinem Büro aus das neue Primark-Gebäude, das letzte „Röcheln des nicht mehr tragfähigen Kommerzialisierungssystems“. Das Wuppertal Institut sei die direkte Grenze von Kultur und Kommerz — rein geografisch. Ein Aspekt, der auch prominent auf dem Bild von Dalibor Relic auftauchen sollte.

Die Konstellation dieses Abends war für Schneidewind Sinnbild für eine „historisch einmalige Chance“, eine starke, offene Wissenschaftseinrichtung mit einem lebendigen Kulturszene zusammenzubringen. „Dafür ist Wuppertal ein ganz besonderer Ort“, sagte Schneidewind. Nicht viele Städte könnten beide Aspekte so gut vereinen wie diese Stadt.

Wo die Überschneidungen liegen könnten, stellten Matthias Wanner vom Wuppertal Institut und Uta Atzpodien vom Freien Netz Werk Kultur in zwei Präsentationen dar.

Das war insofern Grundlagenarbeit als Wanner erst einmal das Wuppertal Institut, dessen Geschichte und Arbeit vorgestellt hat. Gleichzeitig konnte er direkt die Aspekte benennen, an der Austausch zwischen Kultur und Wissenschaft spannend wären.

So verwies er auf den normativen Kompass für die urbane Transformation, die der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen entwickelt hat, an dem auch Uwe Schneidewind mitgearbeitet hat. Der sieht vor, dass gewisse Leitplanken eingehalten werden müssen, um die normativen Lebensgrundlagen zu sichern — Qualität von Luft und Wasser etwa —, zusätzlich seien die Schlüssel für die Transformation die Teilhabe, sozial wie kulturell, und auch die Berücksichtigung der städtischen Eigenarten.

Diese Richtlinien gingen über den klassischen Begriff der Nachhaltigkeit hinaus, sagte Wanner. Gleichzeitig schlugen sie aber für ihn die Brücke zu dem Freien Netz Werk Kultur. Denn die Frage lautete für ihn: „Was braucht man, um in einer Stadt glücklich zu sein?“ und „Welche Identität hat so eine Stadt, was erzählt sie?“ Angesichts der lebendigen Kulturszene hier, angesichts der etwa 70 Gäste in der Aula des Wuppertal Instituts eine gute Grundlage.

Die freie Dramaturgin Uta Atzpodien nahm die Gedanken mit auf, als sie ihren Vortrag über Transformation und Kunst hielt. „Transformation ist da“, leitete sie ein. Denn aus Sicht der Kunst und Kultur muss die Veränderung nicht herbeigeredet werden. „Sie beginnt lokal und sie geschieht aktuell“. Sie sieht sie schon in der Entstehung durch das bloße Zusammenkommen. Schon bei dem Wandern durch Gastgeberorte entstehe Transformation, sagte sie, durch Austausch und Gemeinschaft.

Wie genau die Verbindung nun weitergeht, ist offen. Der erste Schritt wurde gemacht. Das erste Bild dazu gemalt.

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