Kunst(t)raum Yvettes fantastische Skulptur-Welten

Seit Mai gibt es die Nautilus-Libronauten-Galerie von Yvette Endrijautzki und Oliver Buchta. Sie vereint Kunst und Buch.

  Yvette Endrijautzki mit ihrer Engels-Baustelle in der Galerie im Luisenviertel. Im Hintergrund rechts: ihre „Mater Dei“.

 Yvette Endrijautzki mit ihrer Engels-Baustelle in der Galerie im Luisenviertel. Im Hintergrund rechts: ihre „Mater Dei“.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Dieser rötlich-patinierte Engels-Kopf ist eine Baustelle und wird es bleiben. Die Leitern lehnen am geöffneten Schädel, die Arbeiter sind in der Bewegung eingefroren. Dieser Engels-Kopf ist ein Kunstwerk, ein revolutionäres zugleich, weil der Kopf im 3 D-Drucker entstand. Die vielteilige Baustelle um ihn herum steht auf einem Karren steht, den ein erhabener Mann zieht. Yvette Endrijautzkis Baustelle entstand aus Fundstücken wie Modellbauelementen, Zahnrädern oder Playmobilfiguren. In der Galerie der Künstlerin empfängt das Kunstwerk, passend zum nahen Engelsjahr, derzeit den Besucher.

Yvette Endrijautzki ist in Wuppertal aufgewachsen, malte als Kind schon, erprobte sich in vielen künstlerischen Berufen, von der Metallschmiedin bis zur Pyro-Performerin, sieht sich selbst als Bauerin. Seit ein paar Jahren erstellt Endrijautzki ihre phantastischen Objekte, die meist um Themen aus der Mystik, der Traumwelt oder Esoterik kreisen und die seltener politisch sind.

Mit 21 Jahren hatte die heute 45-Jährige die Stadt verlassen, war nach verschiedenen Stationen in Europa 2007 in die USA ausgewandert. Kam vor zwei Jahren zurück, weil die Mutter schwer erkrankt war. Die Tochter blieb, fand im Luisenviertel „meine Blase“, während die genesene Mutter heute durch die Welt reist.

Im Dezember 2018 lernte sie Oliver Buchta kennen, der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller ist. Man entwickelte die Idee einer Galerie für Kunst und Buch, die ihr Werkstatt, ihm Schreibstatt und befreundeten Künstlern Ausstellungsraum sein sollte. Als das vierstöckige Fachwerkhaus an der Osterfelder Straße im April 2019 renoviert war, ein Mieter für das 80 Quadratmeter große Ladenlokal in Parterre gesucht wurde, bewarben sie sich – und eröffneten im Mai ihre Galerie. Die wurde einerseits in Anlehnung an Endrijautzkis letzte Galerie in Seattle und die Nautilusmuschel, die den Goldenen Schnitt repräsentiert, „Nautilus“ genannt. Andererseits ist sie das Zuhause der „Libronauten“, die, so der gebürtige Lenneper Buchta, ihr Schiff durchs Büchermeer steuern und wie die Argonauten auf ewiger Reise seien. Allerdings dominieren derzeit die bildenden Künste, während der 52-jährige Buchta, etwa für Buchvorstellungen oder Vorlesungen, außer Haus aktiv wird. Endrijautzki: „Alle zwei Monate wechseln die Ausstellungen mit Künstlern, außerdem nahmen wir an der Woga, ‚Wuppertal 24 Stunden live’ oder ‚Das Viertel leuchtet’ teil.“

Am Anfang stand der Müll: Als Yvette Endrijautzki in die USA kam, durfte sie zunächst nicht arbeiten. Also half sie ihrem Mann bei Haushaltsentrümpelungen. „Ich konnte die Sachen aber nicht wegschmeißen, und so sammelte sich immer mehr an.“ Als ihr Mann mit dem Entrümpeln drohte, begann sie, die Teile miteinander zu Skulpturen zu verbinden. Skulpturen, die sie in den Wohnungen ihres Hauses verteilte. Eine Kunsthistorikerin und Mutter einer Mieterin „entschied“, dass die Arbeiten in eine Galerie gehörten. Mittlerweile hat Endrijautzki ihre Technik verfeinert, einen ausgefeilten Plan aber gebe es nicht. Sie beginne mit einem Thema und meist zwei, drei Teilen, die zusammenpassen, erklärt sie. Alles weitere „verbindet sich von allein“.

So auch bei der türkisfarbenen, über 30 Kilogramm schweren „Mater Dei“, die sie für eine Ausstellung zum Thema Geburt in Düsseldorf fertigte. Eine Schaufensterpuppe, deren gewölbter Bauch aus einem Lampenschirm entstand, wächst aus einem Rahmen heraus. Auch sie Mittelpunkt einer kleinteiligen Baustelle.

Diese Arbeit begründete auch die Zusammenarbeit mit Excit3D GmbH in Solingen. „Meine großen Skulpturen brauchen viel Platz und sind teuer, deshalb kam ich auf die Idee, sie reproduzieren zu lassen“, erklärt die Künstlerin. Eine Aufgabe, die die Solinger vor große Herausforderungen stellt. Bislang schufen sie Miniaturen der „Mater Dei“ ohne das tiefe Geflecht um sie herum. Buchta freut sich über die neuen Kooperationen, die mit den Solingern, vor allem aber die mit Endrijautzki, die dem Literaturwissenschaftler, der „aus der anderen Ecke kommt“, gerade die südamerikanische Literatur und deren spirituelle Ebene neu erschließt. Umgekehrt hat die Künstlerin an einem Buch mitgewirkt, das Bergische Kaffeehausgeschichten vereint, denn Schreiben mag sie auch. Eine runde Partnerschaft von Buch und Kunst eben.

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