#Schnappschuss Drei „Pinguine“ machen Lust auf Theater

Das Ensemble des Schauspiels lädt zu #Schnappschuss, und eine Karawane zieht durch den Zoo.

Alexander Peiler als Pinguin.

Alexander Peiler als Pinguin.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Die Zuschauer sind schon da, auch wenn sie es nicht unbedingt wissen. An diesem strahlenden Herbstsonntag stehen die Familien Schlange an den Kassen des Zoos. Plötzlich treten drei mehr oder weniger kostümierte Männer aus der Menge im Eingangsbereich, erklimmen zielstrebig eine Betonbank. Der jüngste #Schnappschuss-Coup des Wuppertaler Schauspiels ist eine kleine Reise: Drei ausgebüxte Pinguine sind auf dem Heimweg zu ihrem Zuhause im Zoo. Mit viel unterhaltsamem Spiel-Witz, ernsten wie spaßigen Texten und im direkten Gespräch mit ihren Zuschauern und Wegbegleitern.

Wie verwandelt man einen Menschen in einen Pinguin? Man zieht ihm eine wattierte, weite Hose und ein weißes Hemd an, drüber einen Frack und eine gelbe Krawatte um den Kragen, die Schuhe werden in gelbe Schwimmflossen gesteckt, auf den Kopf eine Kappe mit überlangem, schnabelartigem Sonnenschild gestülpt. Den rhythmischen Watschelgang üben Intendant Thomas Braus sowie Konstantin Rickert und Alexander Peiler vom Ensemble dann mit ihren Begleitern ein, die sie - damit keiner verloren geht - an einem langen Seil mitführen. Und weil die Königspinguine zwar Wappentiere des Wuppertaler Zoos sind, es aber kein populäres Lied über Pinguine, wohl aber eines über Eisbären gibt und die Eisbären in Wuppertal direkt neben den Königspinguinen wohnen, wird zur Wanderschaft „Ich möchte ein Eisbär sein“ gesungen, jenes Lied, das die Schweizer Band „Grauzone“ 1980 zur neuen deutschen Welle beitrug.

Es wird gekalauert
und Literatur zititert

Der Weg ist lang und windet sich, schwingende Hängebrücken über vermeintlich von Krokodilen bewohnten Gewässern müssen überschritten und andere Zooattraktionen wie das Affenhaus oder das Braunbärgehege möglichst reibungslos passiert werden. Harmlos, weil nur des Nachts zu sehen, ist dagegen der „Wasseresel“, den Christian Morgenstern mit einem Gedicht würdigte. Es wird geschrien („Jetzt wird’s gefährlich.“; „Alle gehn nach meinem Kommando.“) und gekalauert („Übrigens: vom Feeling her habe ich ein gutes Gefühl.“), mehr oder weniger sinnvolle Texte (von „Wir sind in die Welt gevögelt und können nicht fliegen“ - Werner Schwab) bis zu „Mailand oder Madrid - egal, Hauptsache Spanien (Andi Möller)“ vorgetragen. Da wird Jean-Paul Sartre umgedichtet („Der sensible Pinguin leidet nicht aus diesem oder jenem Grunde, sondern ganz allein, weil nichts auf dieser Welt seine Sehnsucht stillen kann.“), aber auch aus Heiner Müller („Der Auftrag“) und Elfriede Jellinik („Die Schutzbefohlenen“) vorgetragen. Staunend der seltsamen Karawane zuschauende Zoobesucher werden kurzerhand zum Mitmachen eingeladen.

Der Heimweg strengt die Kostümierten an, macht hungrig: In der offenen Hütte vor dem „(Wer-)Wolfgehege“ wird pausiert - mit Heringen aus dem Glas, Witzen („Guten Tag, ich möchte gerne Rumkugeln.“ - „Ja, dann machen Sie das doch.“), über die die drei am meisten lachen, und einem Werwolf-Gedicht von Christian Morgenstern. Kurz vor dem Finale stimmen die drei, angesichts des großen, mehre Ebenen umfassenden „Swimmingpools“ der Eisbären („Hier sieht’s aus wie zu Hause.“) nochmal aus voller Kehle ihr Lieblingslied von den weißen Riesen an, bevor es in den Bau der Königspinguine mit dem langen Acrylglastunnel geht. Unter dem bleibt das mobile Theater stehen. Die Kollegen werden überschwänglich begrüßt, lassen sich aber nicht von ihren Schwimmübungen abhalten.

Es geht aber auch ganz ernst
und hochaktuell

Und dann wird es ernst und aktuell: Im Wechsel deklamieren Braus, Rickert und Peiler aus Jellineks Sprachkunstwerk „Die Schutzbefohlenen“ von 2013, das sich kritisch mit der herrschenden Flüchtlingspolitik und ihren Folgen auseinandersetzt. Eine Passage, die sich mit dem gegenseitigen Respekt auseinandersetzt. Das letzte Wort geben sie Morgenstern, in dessen Gedicht über drei Spatzen im Haselstrauch sie drei Pinguine setzen. „Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.“

Mit solchen Auftritten macht das Schauspiel Lust auf mehr - das Schnappschuss-Konzept aus Klamauk und Anspruch geht einmal mehr auf.

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