Freies Netzwerk Kultur Suche nach einer neuen Qualität in der Kunst

Tine Lowisch vom Freien Netzwerk Kultur über das Schöne in der Kultur.

 Tine Lowisch.

Tine Lowisch.

Foto: CLAUDIA SCHEER VAN ERP

Genauso wenig wie das Schöne allgemein definiert werden kann, kann auch die Qualität nicht allgemein gültig gemessen werden. Denn diese zwei Unbekannten, die  Qualität und die Schönheit, gleichen immer den eigenen Erfahrungen anderer. In der Bewertung der Qualität in der Kunst gleichen diese Erfahrungen anderer bisher meist den Empfehlungen des Kurators oder einer Jury. Dieses Nadelöhr sind immer einzelne Menschen, die sich viel Arbeit machen. Noch bevor das Thema einer Ausstellung überhaupt gefunden wurde oder die Auswahl der Werke von Künstlern, die mitgenommen werden, getroffen ist. Bis diejenigen gefunden sind, die unvoreingenommen auswählen, die also gut darin sind, sich von ihren und anderen vorgefertigten Meinungen zu befreien, ist es ein langer Marsch.

So lange unsere Köpfe rund bleiben, seien hier  aber die Fragen erlaubt: Wer kuratierte bisher den Kurator? Werden Ästhetische Erfahrungen in der Zukunft immer noch keinen Nutzen haben dürfen? Wird jemand zugeben, dass die Gewohnheiten der Wahrnehmung nie interesselos sind? Oft wird ja gesagt: Wer die Kunst lebt, will nur spielen und damit nichts erreichen.

Wenn das stimmt, meint man damit, dass der Künstler seine eigene Kunst nebensächlich erledigt und er durch sie nichts erreichen will? Denn natürlich erreicht er mit ihr, mit seinem Spiel: Etwas. Immerhin hat er sein Gefühl der Fantasie ein Stück weit über sich hinaus an seine Kunst übertragen. Der Betrachter nimmt dann was genau mit nach Hause? Das eigene Gefühl mit der Kunst, das sich wunderbar anfühlen kann, wie eine lange abenteuerliche Reise in das Innerste der Welt der eigenen Gedanken? Oder sollte der geneigte Kunstfreund nicht auch das Gefühl für den Künstler mitnehmen?

Noch viel schöner wäre es, der Freund der Kunst würde wieder auf die Idee zurückkommen, die Kunst und nicht den Künstler  zu einem guten Kurs zu sich nach Hause zu nehmen. Ich denke, es wäre besser, man nimmt auch hier erst einmal Abstand zu all dem, was bisher geschah. Nutzen wir den elementaren Schrecken. Die Kunst wird sich nach meiner Einschätzung nicht nur in virtuelle Räume zurückziehen.

Ich denke, sie wird sich mehr und mehr der Herausforderung stellen, sich  umsonst und draußen zu zeigen – auf öffentlichen Plätzen, auf Freiluft- Wald- und Wiesenbühnen oder in Auto-Kinos. Dort wird sich verloren gegangenes Vertrauen wieder finden lassen. Die Kunst der Zukunft, die sich auf lange Sicht auf offener Straße behaupten wird, wird eine andere sein. Denn sie wird ihre neue Qualität tatsächlich vor einer sehr heterogenen kritischen Masse immer wieder neu behaupten müssen, um akzeptiert und nicht abgelehnt zu werden.

Durch Ablehnung geformt
für die postnormale Zeit

Oder aber es verstärkt sich ein Effekt in eine ganz andere Richtung und sie findet ihre Nische statt wie bisher in elitären Kunsträumen wieder in intimer häuslicher Umgebung einzelner Sammler und Kunstanhänger – die Hausgemeinschaft wird zum Kunstpublikum. Wer sich und seine Kunst in der Vergangenheit bereitwillig jurieren ließ, wer also einer Jury oder dem Kurator vertraute, wer es sportlich nahm, wenn er auskuratiert wurde. Dies lächelnd ertrug, weil er weiter an seine Kunst glaubte, durchgängig biegsam in der Form und tänzerisch in der Gestalt blieb, ist für das, was jetzt kommt, in Top-Form. Derjenige, oder diejenige liefert nun wie hundertfach durch Ablehnung gefalteter Stahl eine hochwertige schöne neue Qualität für die Zeit, die ich mal postnormal nenne.

In dieser Postnormalen Epoche werden wir auch die Welt der Kunst neu denken müssen. Jeder einzelne von uns. In diesem Ausnahmezustand im Moment, der sich anfühlt wie ein komischer neunter Raum, lernt es sich glücklicherweise schneller. Machen wir also Inventur mit dem geistigen Inventar der gegenwärtigen Welt. Jeder von uns weiß genau, was zu tun ist. Wir können es nur noch nicht glauben.

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