Eine-Frau-Stück Sympathie für eine Sünderin

Wuppertal · Julia Felicitas Wolff gibt ihr Regiedebüt mit Neil LaButes Stück „All the Ways to Say I Love You“ im Ada.

 Beate Rüter in Neil LaButes Stück „All the Ways to Say I Love You“.

Beate Rüter in Neil LaButes Stück „All the Ways to Say I Love You“.

Foto: Julia Wolff/Anja Dassler.

Es geht um essentielle und stets aktuelle Themen menschlichen Daseins: um Lebenslügen, Einsamkeit, Schicksal, Rassismus, Missbrauch von Macht und Heranwachsender. Um die Frage, wie es sich leben lässt mit begangenem Unrecht und verdrängter Schuld. Wenn sich der US-amerikanische Autor Neil LaBute damit befasst, dann geht das nicht ohne bittere Ironie, unbequeme moralische Positionen, Sympathie und Abscheu für den Täter. Der in diesem Fall, dem Stück „All the Ways to Say I Love You“, eine Täterin ist. Julia Felicitas Wolff und Beate Rüter führen das 2016 entstandene Stück am 12. Juni im Ada (1. Stock) auf. Das Regiedebüt der Wuppertaler Schauspielerin Wolff.

Bislang steht diese auf der Bühne - ist nach vielen Jahren als festes Ensemblemitglied derzeit „ständiger Gast“ des Schauspiels Wuppertal mit zwei Stücken pro Spielzeit. Sie wirkt aktuell auch bei Felicia Zellers „Der Fiskus“ und Anton Tschechows „Drei Schwestern“ mit, die wegen der Corona-Einschränkungen noch nicht vor Publikum gezeigt werden konnten - was in der kommenden Spielzeit wohl nachgeholt wird.

Ende letzten Jahres schlüpfte Wolff unter der Regie von Torsten Krug in die Rolle von Friedrich Engels in dem Ein-Personen-Stück „Ich kann des Nachts nicht schlafen vor lauter Ideen des Jahrhunderts“. Sie kam über den Autor mit Beate Rüter in Kontakt. Die Schauspielerin, Malerin und Theaterpädagogin suchte eine Regisseurin für LaButes Stück. Die beiden Frauen fanden zueinander, inhaltlich und auch finanziell. Rüter brachte Förderung durch die Wuppertaler Stadtwerke, das Kulturbüro, die Stiftung Kalkwerke Oetelshofenund die Jackstädt Stiftung ein, Wolff ein Stipendium des Fonds Darstellender Künste. Das hatte sie damals schon beantragt und Anfang 2021 genehmigt bekommen, weil sie aus eigenem Antrieb zum Thema Alltagsrassismus recherchieren wollte. Anfang April begannen die Proben, die Premiere Ende Mai wurde coronabedingt zur Generalprobe umfunktioniert und ein neuer Termin (mit Publikum) angesetzt.

Erste Premiere wurde wegen Corona zur Generalprobe

LaButes Stück ist eine Lebensbeichte ohne Absolution. Wolff: „Das Ende ist offen.“ Die Protagonistin müsse mit ihrer Schuld leben. Eine Schuld, die die ältere Lehrerin Faye Johnson auf sich geladen hat, als sie ihrem dunkelhäutigen Ehemann vor 16 Jahren ein Kind untergeschoben hat, das nicht seines ist. Es stammt aus einer kurzen, intensiven Affäre mit einem damals 16-jährigen Schüler. Ihre Rückschau schwankt zwischen Reue, Selbstmitleid und sehnsüchtiger Erinnerung. Ist der vergebliche Versuch, sich vor sich selbst und vor dem Publikum zu rechtfertigen. Ein langer, intensiver Monolog, der der Akteurin alles abverlangt.

Im Original, so Wolff, gebe es zudem einen Dialog zwischen dem Mann der Lehrerin und seinem Freund sowie einen Monolog des Jugendlichen, der Faye verfolgt, nachdem er sie mit ihrer (gemeinsamen) Tochter auf dem Spielplatz gesehen hat. Wolff inspirierte das, um eine zweite Figur zu schaffen, die den Monolog Fayes erweitert. „Ein Stalker, der eine andere Sicht auf das Geschehen beisteuert“, erzählt die Regisseurin. Der Filmstudent Sol Hüttich übernimmt die Rolle, agiert als Kameramann, der durch seine Liveaufnahmen spricht. Das sei spannender, als ihn auf die Bühne zu stellen, so Wolff. Seine Film-Sequenzen werden im Wechsel mit vorproduzierten Videos, die zum Beispiel Assoziationen zu Fayes Ehe bieten, auf eine Leinwand hinter der Bühne projiziert. Diese ist ein zwei mal zwei Meter kleiner Podest. Das Bühnenbild ist dunkel und karg, nur ein paar Schulstühle werden aufgestellt. Die Kostüme steuert Sarah Prinz vom Schauspiel bei.

„All the Ways to Say I Love You“ ist ein „Eine-Frau-Stück“, was sich gut unter den coronabedingten Schutzmaßnahmen realisieren lässt und Julia Wolff entgegenkommt. Sie selbst hat schon öfters allein auf der Bühne gestanden (nicht nur im Engels-Stück), genoss es aber diesmal „unten zu sitzen“. Schon früher habe sie immer mal mit einer Regie geliebäugelt, „zumal ich ja an der Folkwang Universität unterrichte und so gewohnt bin, Monologe zu halten und Dialoge zu führen“. Sie kann sich gut vorstellen, künftig die Regie bei Stücken mit mehreren Akteuren zu übernehmen, auch wieder mit Beate Rüter zusammenzuarbeiten. „Regie führen ist schon ganz anders als als Schauspielerin auf der Bühne zu stehen. Eine andere Art der Verantwortung“, schwärmt Wolff, ohne das Lampenfieber, das sie als Schauspielerin habe. Vielleicht lernt sie ja nun eine ganz andere Art Nervosität kennen.

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