Freie Kultur Wuppertal : Kunst feiert die Vielfalt
Torsten Krug vom Freien Netzwerk Kultur über Improvisation und das Unversöhnbare in uns selbst.
Seit zwei Jahren arbeite ich mit einer Gruppe beeinträchtigter Schauspielerinnen und Schauspieler. Ich habe schon viel von ihnen gelernt. Keiner von ihnen ist in der Lage, einen Text auswendig zu lernen oder ihn exakt wiederzugeben. Dafür improvisieren sie viel zu gut. Unsere Stücke, die wir in der Färberei aufführen, folgen einer Vision, Absprachen, einem dramaturgischen Bogen – und sind doch in jedem Augenblick improvisiert. Als sei es das erste oder das letzte Mal. Ganz wie im Leben.
Einige von diesen Spielern können kaum oder nicht sprechen, zumindest nicht so, wie wir uns das vorstellen. Manche können sich nur eingeschränkt bewegen. Oder eben: sie können ganz besondere Bewegungen! Allesamt sind es Menschen, die auf die Bühne wollen und genau dorthin gehören. Ich könnte ihnen unentwegt zuschauen und zuhören. Ihre künstlerische Fantasie spricht Bände, in ganz eigenen Sprachen. Und: sie zelebrieren den Augenblick! Einmal nach einer Probe sagt die Schauspielerin Silvia Munzón Lopéz, die schon in zwei Inszenierungen mitwirkte, zu mir: „Danke. Jetzt weiß ich wieder, um was es eigentlich geht.“
Letzten Samstag las ich beim Finale der sympathischen »Ronsdorfer Literaturtage« aus meinem noch in Arbeit befindlichen Roman, unter anderem ein Kapitel, in dem es um einen autistischen Jungen geht. In der Pause habe ich den Eindruck, dass eben diese Szene das Publikum besonders erreicht hat. Ich glaube, es liegt nicht am Fremden darin, sondern daran, dass wir uns in dem autistischen Jungen wiederfinden.