Kultur „Das Minus ist höher als die Förderung“

Stößels Theater und das Kammerspielchen erhalten Geld vom Land NRW, um die wirtschaftlichen Corona-Folgen auszugleichen.

 Kristof Stößel bekommt knapp 35 000 Euro Förderung.

Kristof Stößel bekommt knapp 35 000 Euro Förderung.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Theoretisch dürfen die kleinen Theater in NRW derzeit wieder vor vollen Zuschauerreihen spielen. Dann würden allerdings die meisten Zuschauer zu Hause bleiben. Deshalb besetzen die Wuppertaler Theater nur rund jeden zweiten Platz. Das TiC-Theater spielt noch gar nicht wieder, weil es sich wirtschaftlich nicht lohnt. Um Privattheater vor der Insolvenz zu retten, schüttet das Land NRW jetzt zusätzliche Hilfen an „professionell arbeitende Theater in privater Trägerschaft“ aus. Davon profitieren allerdings in Wuppertal nur Stößels Komödie und das Kammerspielchen, dessen Spielstätte jedoch in Solingen-Gräfrath liegt.

Kristof Stößel hat bisher nur aus der Presse und auf der Homepage der Landesregierung erfahren, dass die Förderung bewilligt wurde. Er ist erleichtert. „Das hilft uns natürlich – allerdings ist das Minus von Juli bis zum Jahresende höher als die Förderung, die wir jetzt bekommen.“ Zwei Tage lang hat er am Förderantrag gesessen, um alle benötigten Zahlen zusammenzustellen. Knapp 35 000 Euro bekommt er wohl für die Zeit des Lockdowns.

Obwohl Stößels Komödie jetzt wieder spielt, bleibt unter dem Strich trotzdem ein Minus: „Die Besucherzahlen sind so, dass man eigentlich nicht mehr spielen dürfte“, seufzt der Theaterchef und setzt trotzdem Vorstellungen an. Seine drei Festangestellten sind alle in Kurzarbeit. Der Vermieter hat zwar einer kurzzeitigen Stundung der Miete zugestimmt, aber keiner grundsätzlichen Reduktion in dieser schwierigen Lage. Zusätzlich hat das Ehepaar Stößel gerade das Düsseldorfer Kabarett Flin übernommen. Den Vertrag dafür hat es schon 2017 unterschrieben. Jetzt sorgt dieses sonst immer gut laufende Theater für zusätzliche Ausgaben. Am 10. September hatten Teresa und Kristof Stößel dort Neueröffnung gefeiert.

Ernst-Werner Quambusch hat sein Kammerspielchen-Büro in Wuppertal, deshalb wird seine Förderung dort verortet. „Aber die 2700 Euro helfen mir praktisch gar nicht“, sagt er. Seit März hatte sein Kammerspielchen keinerlei Einnahmen. Und auch wenn er am Samstag den Spielbetrieb wieder aufnimmt, merkt er: „Gerade ältere Menschen haben Angst, ins Theater zu gehen.“

Viele wichtige Informationen
werden vermisst

Für das Taltontheater kommt die Landesförderung wegen seiner Organisationsstruktur als Verein nicht in Frage. Allerdings hat Theaterleiter Jens Kalkhorst auch nicht von dieser Förderung erfahren: „Es ist ein Leitmotiv der letzten Monate, dass man manches erst um drei Ecken herum erfährt“, ärgert er sich. Er vermisst viele wichtige Informationen. So gibt es seit vergangenem Wochenende im Taltontheater wieder Aufführungen. Bezüglich des Publikums ist alles gut geregelt. „Aber was gilt für die Menschen, die bei mir arbeiten?“, fragt sich Jens Kalkhorst. „Auf der Bühne kann ich nicht konsequent einen Abstand von 1,5 Metern einhalten.“

9000 Euro hat das Taltontheater als Soforthilfe bekommen und kam dadurch über die ersten Monate. Jetzt rechnet Kalkhorst mit einer weiteren Überbrückungshilfe durch den Staat. Die Miete hat ihm die Stadt Wuppertal bisher gestundet. Allerdings sind dort Schulden von rund 10 000 Euro aufgelaufen. Wann diese beglichen werden müssen, wird gerade verhandelt. „Wenn wir das jetzt auf einen Schlag zahlen müssen, können wir sofort Insolvenz anmelden“, erklärt Jens Kalkhorst. Er hofft nun, dass mit kälteren Temperaturen die Zuschauer trotz Corona wieder ins Theater kommen. Rund 40 bis 50 Menschen passen mit Abständen in seinen Saal.

Auch Jan Philip Wiepen wusste nichts von der speziellen Theaterförderung. Dafür bekam er Geld zur Erarbeitung eines neuen Programms über das NRW-Stärkungspaket „Kunst und Kultur“. So konnte er die Betriebskosten weitgehend decken. Privat lebt er vom Ersparten – glücklicherweise lief das Zaubertheater 2019 sehr gut. Seit August finden die Vorstellungen unter relativ normalen Bedingungen statt. „Mit Abständen würde ich hier nur 15 Zuschauer hineinbekommen – das lohnt sich nicht“, erklärt Wiepen. Allerdings kommen vor allem junge Gäste. Und er merkt an den Buchungen sofort, wenn deutschlandweit die Ansteckungszahlen steigen.

Das TiC als gemeinnützige GmbH war von der Landesförderung ebenfalls ausgeschlossen. „Aber es gibt andere Töpfe, um die wir uns bemühen“, erklärt Geschäftsführer Ralf Budde. Den Spielbetrieb hat das TiC allerdings noch nicht wieder aufgenommen. „Das wäre nicht wirtschaftlich“, erklärt Budde. „Und wir müssten vier Meter Abstand zum Publikum halten – dann wäre an der Borner Straße die Hälfte der Plätze weg und unser Markenkern ist schließlich die Nähe zum Publikum.“ Für das TiC-Atelier diskutieren die Verantwortlichen gerade Möglichkeiten. Die Verantwortung für die Gesundheit von Schauspielern und Publikum wiegt jedoch schwer. Alle sechs Festangestellten des TiC befinden sich derzeit in Kurzarbeit.

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