Wuppertal feiert türkisches Oratorium

"Nâzim" im Großen Saal der Stadthalle: Der musikalische Appell an die Menschlichkeit rührte so manchen Zuhörer zu Tränen.

Wuppertal. Deutsche Erstaufführung eines türkischen Oratoriums: Die Wuppertaler Bühnen gestalteten am Sonntag in der Stadthalle eine konzertante Aufführung von „Nâzim“. Das Werk stammt von dem bekannten türkischen Pianisten und Komponisten Fazil Say. Die musikalische Leitung des Konzerts übernahm Ibrahim Yazici, Chef-Dirigent des staatlichen Sinfonieorchesters in Izmir. Er leitete im Jahr 2001 bereits die Uraufführung von „Nâzim“ in Ankara und gilt als Spezialist für die Werke von Say.

Der Komponist schuf mit der Auftragsarbeit eine Hommage an den türkischen Schriftsteller Nâzim Hikmet. Sie erzählt aus dem Leben des Dichters und thematisiert die ganz großen Themen der Menschheit: Es geht um Hunger und Not des einfachen Volkes, um politische Verfolgung, Leid und Tod im Krieg, aber auch um Liebe, Geburt und die niemals versiegende Sehnsucht nach Freiheit und Gerechtigkeit. Das Oratorium basiert auf Originaltexten des Schriftstellers. Eindrucksvoll erklingen Nâzim Hikmets Appelle an die Menschlichkeit.

Für die musikalische Umsetzung schöpft der Komponist aus dem Vollen und setzt die unterschiedlichsten Ausdrucksmittel und Effekte ein. Den Anfang macht beispielsweise eine Windmaschine. Es folgen weicher und schwelgerischer Streicherklang, dann wieder drängende Sequenzen und kräftiger Einsatz von Schlagwerk. Eingängige Melodien durchziehen das Werk ebenso wie kunstvoll verschränkte Rhythmen, die Einflüsse aus Jazz und Improvisation einbeziehen.

Die Anzahl der Mitwirkenden ist enorm: Beteiligt sind das Sinfonieorchester, ergänzt um einen Pianisten (Emre Elivar), der Opern- sowie der erweiterte Extrachor, Sopranistin Banu Böke und Bariton Thomas Laske sowie der Schauspieler Martin Horn als Erzähler. Zudem erklingt mehrfach der Gesang eines Mädchens (Camille Mocellin). Zwei weitere junge Schülerinnen spielen kleine Solo-Einlagen mit Blockflöte und Glockenspiel. Wirkungsvoll setzt der Komponist all die Instrumente und Stimmen ein.

Dank der herausragenden Leistung aller Beteiligten gelingt eine brillante Umsetzung des Oratoriums. Dirigent Yazici leitet mit temperamentvollem Einsatz die Aufführung. Er arbeitet präzise die Nuancen im Orchester heraus, lässt die Instrumente singen und auftrumpfen, fordert aber auch äußerstes Pianissimo ein.

Der Chor überzeugt mit sicheren, impulsiven Einsätzen. Für besonders berührende Momente sorgt die junge Camille, die von einem zu Asche verbrannten Mädchen nach dem Atombomben-Abwurf in Hiroshima singt. Denn auch dieses Thema lässt das Stück nicht aus. Als Böke kurz darauf in ihrer türkischen Muttersprache mit warmem, innigem Ton ein Heimatlied intoniert, fließt so manche Träne der Rührung im Saal. Mit stehenden Ovationen feiert das Publikum die bewegende Aufführung.

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