„Wir sehen Bilder mit den Ohren“

Interview: Kika-Star Juri Tetzlaff moderiert das Familienkonzert des Sinfonieorchesters: Weil er sich als Kind bei Klassik gelangweilt hat, macht er es heute spannend.

Wuppertal. So etwas nennt man jung geblieben: Seit der Eröffnung des Kindersenders Kika am 1. Januar 1997 gehört Juri Tetzlaff zum festen Moderatorenstamm. Heute moderiert der 44-Jährige die Sendungen „Trickboxx“ und „Baumhaus“, das läuft kurz vor dem „Sandmännchen“. Außerdem moderiert der gebürtige Karlsruher, der heute in Köln lebt, häufig klassische Konzerte für Kinder — wie am Sonntag das Familienkonzert in der Stadthalle.

Herr Tetzlaff, wie bekommt man Kinder und klassische Musik am besten zusammen?

Juri Tetzlaff: Da gibt es viele verschiedene Möglichkeiten. Ich habe als Kind wahnsinnig viele langweilige Konzerte erlebt, weil meine Eltern beide Musiker waren und ich mir das immer anhören musste. Seitdem ich Konzerte moderiere, sind mir deshalb zwei Sachen grundsätzlich wichtig: Eine spannende Geschichte über die Musik zu erzählen und Gelegenheit zum Mitmachen zu bieten.

Inwiefern können die Kinder mitmachen?

Tetzlaff: Och, sie können mal Geräusche machen oder mitsingen. Ganz wichtig ist auch, dass sie zwischendurch mal aufstehen können.

Was passiert am Sonntag beim Familienkonzert „Nachts im Museum“?

Tetzlaff: Zu Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ wagen wir ein spannendes Experiment: Wir wollen Bilder mit den Ohren sehen. Es wird ein Museumsgespenst geben, das mit der Musik und einem Zauberspruch die Bilder lebendig werden lässt. Schließlich müssen wir mit dem Publikum einen Dieb jagen — und finden ihn auch in der Musik. Und am Ende wird alles wieder gut.

Lassen sich Kinder immer von der Musik fesseln?

Tetzlaff: Ja, das klappt. Ich moderiere etwa 50 Konzerte im Jahr, bin so gut wie jedes Wochenende unterwegs. Durch diese Arbeit habe ich einen ganz tiefen Einblick — und ich schreibe natürlich ein richtiges Drehbuch für jede Veranstaltung. Das betrifft den Dirigenten, das Orchester und mich. Es geht nicht darum, dass wir uns sklavisch an den Text halten. Aber damit die Geschichte funktioniert, muss das Timing stimmen — sonst wird es für die Zuhörer anstrengend.

Ist das immer dasselbe Drehbuch?

Tetzlaff: Nein, ich passe meine Texte immer an. „Bilder einer Ausstellung“ habe ich schon fünf Mal gemacht, da gab es eine Fassung mit Kindern, die mitspielen, mit einem Kinderchor und mit einer Schulklasse.

Welche Musik eignet sich?

Tetzlaff: Für meine Konzerte ist es gut, wenn die Musik bildhaft ist und nicht zu lange am Stück läuft. Und bildhaft ist Mussorgsky: Bei ihm kommt ein hinkender Zwerg mit bösem Kichern vor — und das hört man ganz genau in der Musik.

Wie lange hören Kinder gerne zu?

Tetzlaff: Eine Sinfonie, bei der ein Satz 20 Minuten dauert, kann man Kindern und Jugendlichen nicht antun. Die „Bilder einer Ausstellung“ sind perfekt: Kein Stück ist länger als drei oder vier Minuten, manche dauern auch nur 30 Sekunden. Da hat man schön Gelegenheit für Abwechslung zwischen der Musik.

Wie sind die Reaktionen der Eltern?

Tetzlaff: Eine Menge kommen hinterher zu mir und sagen: „Das war auch für Erwachsene interessant.“

Denken Sie, dass Klassik für Kinder wichtig ist?

Tetzlaff: Es ist ja nicht so, dass man sein Leben vertan hat, wenn man keine Klassik hört. Die ist halt komplexer, aber auch interessanter. Und wenn so ein riesiges Orchester auf der Bühne sitzt, dann wirkt das schon durch die reine Menge. Bei einem Popkonzert erlebt man das kaum.

Wie halten Sie es selbst mit der klassischen Musik?

Tetzlaff: In meiner Jugend war ich gar kein Klassik-Fan, sondern habe Pop und Hip Hop gehört. Ich sage auch jetzt nicht, dass Klassik das einzig Wahre ist — ich bin nicht völlig verklassigt, ich stehe im Leben. Zu Hause höre ich relativ wenig Klassik, aber in einem Konzert ist der Klang schon etwas Besonderes.

Sie haben mal Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation studiert. Was ist daraus geworden?

Tetzlaff: Ich wollte eigentlich in die Werbung, da war ich auch mal kurz. Aber wie es so ist im Leben — es war nicht ganz das Richtige. Doch von diesem Handwerkszeug profitiere ich noch heute. Ich verkaufe nur keine Joghurts oder Eis am Stiel, sondern klassische Musik.

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