Wiener Walzerseligkeit in Wuppertal

Toshiyuki Kamioka dirigierte in der Stadthalle mit viel Schwung.

Wuppertal. Was haben Wien und Wuppertal gemeinsam — außer dem gleichen Anfangsbuchstaben im Städtenamen? Da gibt es noch eine Reihe von Gemeinsamkeiten, die zumindest zum Jahresanfang tragen: Oft wird der Große Saal der Stadthalle auf dem Johannisberg mit dem Goldenen Saal des Wiener Musikvereins in einem Atemzug genannt, etwa wegen der unbeschreiblich guten Akustik beider Räume.

Und in jedem wird das beginnende Jahr mit einem schwungvollen Neujahrskonzert begrüßt. In Wien dirigierte dieses Mal Franz Welser-Möst, der neue Generalmuskdirektor der Wiener Staatsoper und erreichte mit vornehmem Understatement ein Optimum im fein ziselierten Dreivierteltakt.

In Wuppertal stand am Samstagabend Toshiyuki Kamioka am Pult des Sinfonieorchesters: Keine Spur von kunstvoller Zurückhaltung, vielmehr genüssliches Eintauchen in die heile Welt der Wiener Walzerseligkeit — inklusive Körpereinsatz und bewegten Tanzschritten auf schmalem Dirigenten-Podest.

Dabei favorisiert Kamioka Werke von Johann Strauß Sohn, mischt in Walzer, Galopp und Polka Operetten-Ouvertüren und -melodien und bringt Hommagen an Italien, den Orient und Russland. In „Wo die Zitronen blüh’ n“ verbreiten die Musiker mit lieblichen Melodien südliches Flair und entführen mit der Ouvertüre zu „Eine Nacht in Venedig“ in die heitere Stimmung der Gondel-Stadt.

Die „Russische Marsch-Fantasie“ bedient sich der überschäumenden Tanz-Folklore und der süßen Schwere sehnsuchtsvoller Melodik. In „Märchen aus dem Orient“ klagt die Oboe in orientalischen Skalen, die Glöckchen und Triangel munter umspielen — natürlich mündet auch dieser Ausflug wieder im Walzer.

Am Pult des Konzertmeisters hat Radu Janai, Gast vom Beethoven-Orchester Bonn, Platz genommen: Die Stelle von Gabriela Ijac, die im Ruhestand ist und dieses Mal das Walzer-Programm im Publikum genießt, ist noch immer unbesetzt. Als Kamioka gleich nach der Pause zur schwungvollen Ouvertüre zu „Indigo und die vierzig Räuber“ anhebt, landet sein Stab unvermittelt neben dem Podest. Ungerührt spielen die Musiker, bis ihn ihr Leiter mit verschmitztem Seitenblick ins Publikum aufhebt und weiter dirigiert. „So ein Fehler ist doch menschlich“, hört man im Publikum raunen. Überhaupt sind die Zuhörer im ausverkauften Großen Saal sehr angetan vom Dirigenten und Orchester, das seine Gäste mit guter Laune und den obligatorischen Zugaben in das neue Jahr entlässt.

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