Oper Werther – was Goethes Seelendrama mit Wuppertal verbindet

Die Oper bringt die konzertante Fassung der Oper von Jules Massenet auf die Bühne. Dörte aus Heckinghausen wirbt für die Neueinstudierung

 „Verzweifelte“ Szene aus dem Film zur Oper mit Dörte aus Heckinghausen an der Wupper.

„Verzweifelte“ Szene aus dem Film zur Oper mit Dörte aus Heckinghausen an der Wupper.

Foto: Wuppertaler Bühnen / Siegersbusch

Engels war gestern, nun kommt Werther. In die Oper. Und deshalb geht auch „Dörte aus Heckinghausen“ dahin. Wandelt auf den Spuren „des berühmten Sohns der Stadt“ von der „nach ihm“ benannten Schwebebahnstation bis zum Gebäude neben dem Barmer Bahnhof. Wer will, kann sie begleiten – in zwei wenige Minuten kurzen Videos, die die Oper ins Netz gestellt hat. Und dabei auf überaus unterhaltsame Art erleben, wie die bekannte Barmer Bürgerin erkennen muss, dass es zwei Werth(er)s gibt: den in Musik und Literatur und den in Wuppertal. Im echten Leben wartet dann Jules Massenets musikalische Umsetzung des berühmten Seelendramas von Goethe als konzertante Inszenierung mit dem Opernensemble am Samstag auf der Opernbühne.

Die unglückliche und im Suizid endende Liebe des jungen Dichters Werther zu Charlotte zählt zu den bekanntesten Werken deutschsprachiger Literatur. Der 1774 erstmals erschienene Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“ avancierte zu einem der Hauptromane der Sturm-und-Drang-Zeit und machten seinen Verfasser, den damals 24-jährigen Johann-Wolfgang Goethe, auf einen Schlag berühmt. Basis für eine Oper von Massenet, die 1892 in Wien in deutscher Sprache uraufgeführt wurde. Die Franzosen, die 1893 nachzogen, taten sich mit dem ernsten Szenario zunächst schwer. Dem Siegeszug der Oper tat dies letztlich keinen Abbruch, auch wenn sie heute nicht zu den am meisten aufgeführten zählt.

In Wuppertal stand sie zuletzt in der Spielzeit 2018/2019 auf dem Spielplan. Aus organisatorischen Gründen in konzertanter Fassung, erzählt Operndramaturgin Marie-Philine Pippert. Visuell unterstützt durch eine Videoprojektion, die Momme Hinrichs für die Produktion konzipierte. Der Mitbegründer des international renommierten Künstlerduos fettFilm thematisiert die vier Jahreszeiten, entsprechend der Geschichte, die im Sommer mit der hoffnungsvollen Liebe beginnt und im Winter mit dem Tod endet.

Am 8. September 2018 wurde Premiere gefeiert. Vier Jahre, eine Pandemie sowie weitere konzertante Aufführungserfahrungen mit „La Traviata“ weiter nimmt die Oper, die Inszenierung, die beim Publikum und bei den Kritikern damals bestens ankam, ins Programm. In der Neueinstudierung steht wieder das Ensemble in den Hauptrollen auf der Bühne, einzige Änderung: Mezzosopranistin Iris Marie Sojer gibt ihr Debüt als Charlotte.

Dörte liebt dramatische
Liebes-Geschichten

Die Aufgabe bestand darin, auf die Aufführung aufmerksam zu machen und zugleich ein jüngeres, nicht gerade opernaffines Publikum anzusprechen. Die Lösung lag sozusagen vor der Nase: Ist doch der Name Werther beziehungsweise Werth in Wuppertal vertraut, wo Straße, Brücke und Schwebebahnstation, Hof, Brunnen und Grill in Barmen so benannt sind. Nach einem Anruf und erfreuter Zusage von Dörte Bald, die die Barmer Kunstfigur Dörte aus Heckinghausen verkörpert und eine Zeit lang Bühnenschauen im Kronleuchterfoyer der Oper bestritt, ging alles ganz schnell. Vor wenigen Wochen trafen sich Dörte Bald und Marie-Philine Pippert vor Ort und besprachen sich. Gingen die Strecke ab. In der Woche, als die ganze Welt um die verstorbene Queen Elizabeth trauerte, stand die Barmerin in einem königsblauen, englischen Abendkleid aus dem Fundus der Oper, mit Haarspange und Perlenkette vor der Kamera in Barmen.

Dörte liebt dramatische Geschichten. Nun galt es, eine kurz, nachvollziehbar auf den Punkt gebracht und auf zwei Folgen verteilt zu erzählen. Mit Cliffhanger (am Ende des ersten Films), da es zwei Aufführungstermine gibt (2. und 29. Oktober), und Auflösung. Mit neuem Text, der zum Barmer Kind Dörte passt. Genau wie „eine unglückliche Liebe, Verzweiflung und die schwarze Wupper“, so Bald. Auch wenn der Fluss im Film viel zu wenig Wasser führt, als dass sich der unglückliche Werther hineinstürzen könnte. Die Musik, die Schwebebahn, ein schönes Kleid und der tiefe Glaube an den Barmer Sohn Werther, der zerstört wird, waren sowieso gesetzt. Genauso wie das Wissen darum, dass Dörte sich auch öffentlich blamieren darf, erzählt die 61-Jährige. Und dazu gehört auch der Genuss von Pommes frites im Werther Grill, die zum virtuosen Anfangsakkord der Oper genussvoll aufgespießt werden, sodass sie prompt über den Tellerrand hüpfen. Ein Riesenspaß für alle Akteure, auch hinter der Kamera. Und ein Déjà-vu für die Schauspielerin, deren Mutter die frittierten Kartoffeln als kulturlos verschmähte, wodurch sie für ihre Kinder umso schmackhafter wurden.

Wie steht Dörte Bald eigentlich zu „Werther“? „Ich habe Gesang studiert, ich kenne die Arien der Charlotte, die sind schon anspruchsvoll, die Crème de la Crème“, sagt sie. Auch Iris Marie Sojer schätzt sie sehr, hat sie schon in ihrer Bühnenschau zu Gast gehabt. Sie freut sich auf die Premiere, die sie natürlich besucht. Nicht im blauen Abendkleid, das wieder im Fundus hängt. Aber die Erinnerung an die Bühnenschauen im Kronleuchterfoyer sind wach. Was wird nun daraus? Wer weiß.

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