Kooperation Wenn Kleist aktuell und süffig wird

Literatur-Oper und Oper Wuppertal starten eine neue Kooperation. Das Ziel ist, mehr Jugendliche fürs Musiktheater zu gewinnen.

 Szene aus dem Literatur-Oper-Stück „Die Marquise von O...“. 

Szene aus dem Literatur-Oper-Stück „Die Marquise von O...“. 

Foto: ja/Christian Nielinger

Sie überschreitet Grenzen, die Literatur-Oper Köln, weil sie verschiedene Genres miteinander verbindet, sich selbst als Labor für Musiktheater sieht. 2018 hat sie sich den literarischen Grenzgänger Heinrich von Kleist (1777 bis 1811) ausgesucht, der zwischen Aufklärung und Romantik dachte und schrieb. Am 12. und 13. Dezember führen die Kölner „Die Marquise von O.../Über das Marionettentheater“ frei nach Texten von Kleist im Theater am Engelsgarten auf – ihr erstes Engagement in Wuppertal.

Das nächste Stück ist fast
schon ausgeguckt

Die Wuppertaler Bühnen bemühen sich nach Kräften um den Besuchernachwuchs. Das Education-Programm ist ausgefeilt und umfangreich. Die Oberstufenschüler werden bislang den Erwachsenen und ihren Angeboten zugerechnet. Die Literatur-Oper nimmt sie nun in den Fokus. Kleist gehört in den Oberstufenkanon. Die Karten für die geplanten drei Aufführungen in Wuppertal werden gut nachgefragt (siehe Kasten), für das Angebot der Nachbereitung interessieren sich ebenfalls bereits zwei Schulen. Grund genug, über eine Fortsetzung der Kooperation im nächsten Jahr nachzudenken. „Es könnte dann der Sandmann von E.T.A. Hoffmann sein“, sagt Andreas Durban, der damit wiederum einen Autoren gefunden hat, der auch in der Oberstufe behandelt wird.

Durban ist Schauspieler mit hoher Affinität zur Musik und Dozent an der Musikhochschule in Köln. 2008 fanden er und der Komponist Henrik Albrecht zusammen, um gen­re­über­grei­fen­de Be­ge­gnun­gen von Oper, Schau­spiel­kunst und Li­te­ra­tur möglichst auch an unkonventionellen, thematisch an die Produktion gebundenen Orten zu schaffen. Dritter im Bunde der Literatur-Oper wurde Gerorg Leisse, der die musikalische Leitung übernahm. Seit 2008 wird jedes Jahr ein Stück uraufgeführt. Das im Falle von Kleist eine Novelle und einen Essay verbindet, die sich beide mit dem Körper befassen, dem Körper des Missbrauchs (Marquise O.) und dem Körper der Grazie (Marionettentheater).

Zwei interessante Antipoden, die dennoch Parallelen aufweisen, erklärt Durban und nennt Beispiele: das fehlende Bewusstsein und die fehlende Fremdbestimmung. Marionetten werden an Fäden geführt, die Marquise von O im übertragenen Sinne auch. Ein Gedanke, den das Bühnenbild aufgreift. Fäden hängen von der Decke, die Protagonisten der im mehrfachen Wechsel erzählten Geschichten bewegen sich dazwischen. Die Aktualität ist durch die Frage nach der Fremdbestimmung ebenso gegeben wie durch die spannende Geschichte der Marquise, die während einer Ohnmacht geschwängert wird und mit der Doppelmoral der bürgerlichen Gesellschaft zu kämpfen hat. Die #metoo-Debatte ist da nicht weit.

Themen für die jungen
Leute finden

Kleists Sprache mit ihren kunstvollen Satzverschachtelungen zu vertonen sei schwierig, sagt Durban, ihre psychologische Botschaft aber führe dazu, dass man (beim Tun) beginne den Text zu lieben. In Kombination mit der Musik werden die vermeintlich verstaubten Texte süffiger, entspannter. Zumal sich Durban keine absolute Texttreue auferlegt. „Am Anfang hatte ich vor allem Respekt vor dem Text, fragte mich, ob ich das überhaupt tun durfte. Später hatte ich einfach unglaublichen Spaß“, erinnert er sich. Henrik Albrecht und Michael Gerihsen bedienen sich bei ihren Kompositionen durchaus klassischer und moderner Elemente. Es gebe Harmonien und Melodien.

Gespielt werden diese von einem Trio aus Trompete, Schlagzeug und Klavier. Sieben Sänger, Studierende der Musikhochschule Köln, und ein hinzugedichteter Chor (fürs Verständnis) singen – an einer Stelle improvisieren die Sänger.

„Es geht uns darum, Themen zu nehmen, die die jungen Leute interessieren“, sagt Durban, der mit einigen Szenen aus dem Doppelstück im vergangenen Jahr bereits an einigen Kölner Schulen positive Erfahrungen gesammelt hat. Nun sind die Wuppertaler gefragt.

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