Wenn Briefe lebendig werde

Beate Rüter und Hans-Willi Lukas spielen im TiC ein Stück, das eigentlich eine Lesung ist.

Wuppertal. Eigentlich ist es eine Lesung, und doch ein Theaterstück. Love Letters heißt das Stück von Albert Ramsdell Gurney, das Ralf Budde im TiC-Theater inszeniert hat. Zwei Leben werden darin in Briefen gespiegelt: Das brave, beherrschte und folgerichtige von Andrew und das schwierige und emotionale von Melissa.

Und genau hier fängt das Schauspiel an: Obwohl Beate Rüter und Hans-Willi Lukas nur einen Brief nach dem anderen zur Hand nehmen, werden die Figuren unglaublich lebendig. Beate Rüter überzeugt zu Beginn als kleines Mädchen mit Schnute und unschuldigem Augenaufschlag. Eher beiläufig erwähnt sie die Alkohol-Probleme ihrer Mutter, den Stiefvater, der sie begrabscht, und die strenge Zucht im Internat, der sie zu entkommen sucht. Exaltiert erzählt sie von ihren ersten Erfolgen als Malerin, von persönlichen Enttäuschungen und neuen Hoffnungen. Sie giggelt voller Übermut und versteinert im nächsten Moment ihr Gesicht zur Maske. Und obwohl Beate Rüter sich nicht groß verändert, wirkt sie irgendwann, als Melissa sich von einem Alkohol-Entzug zum nächsten hangelt, fahrig und verloren.

Hans-Willi Lukas strahlt als kleiner Junge über das ganze Gesicht, bemüht sich um Ausgleich und will es seinen Eltern ständig recht machen. Später sieht man ihm den übermütigen Teenager und den ehrgeizigen jungen Mann an. Bis er dann als Jurist und Senator eine große Ruhe und Sicherheit ausstrahlt, die ganz im Gegensatz zur Zerrissenheit Melissas steht.

Rund 300 Briefe hat Bühnenbildner Iljas Enkaschew mit seinem Team altern lassen und in Kisten auf der Bühne verteilt. Mehrere altertümliche Sessel dienen als Sitzgelegenheit und die beiden Schauspieler wechseln darauf immer mal ihre Position. Jazzmusik trennt die einzelnen Lebensabschnitte. Nie kommen die beiden wirklich zusammen, obwohl sie sich gegenseitig so viel bedeuten. Mal sind es ausführliche Beichten, die sie sich schreiben, dann kurze Postkarten-Grüße oder gar eine längere Funkstille einer Seite.

Sehr geschickt hat Gurney seine Dramaturgie aufgebaut und reißt damit auch den Zuschauer mit. So zeigten sich die Premierenbesucher anschließend trotz der ungewöhnlichen Theaterform tief beeindruckt.

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