Von der Oper zum Musical: Banu Böke hat als Evita „Blut geleckt“

Wie wird aus einer Opernsängerin eine Musical-Darstellerin? Banu Böke weiß, wie es geht: Sie ist Evita.

Wuppertal. Oper und Musical? Für Banu Böke sind es zwei klangvolle Herausforderungen, die durchaus zusammengehören.

Was schlichtweg daran liegen könnte, dass die Sängerin an den Wuppertaler Bühnen alles andere als eine kleine Rolle spielt: Am 7. Juli verwandelt sie sich in eine argentinische Präsidentengattin.

„Mein erstes Musical — und dann direkt ,Evita’. Es hätte nicht besser sein können“, sagt die Sopranistin und strahlt. Der Auftritt im Opernhaus ist ein ganz besonderer: Erst am 5. Oktober feiert „Evita“ Wuppertal-Premiere — einen Vorgeschmack gibt es aber jetzt schon. Gourmetliebhaber dürfen das getrost wörtlich nehmen, denn nehmen dem Genuss für Augen und Ohren werden auch Gaumenfreuden versprochen. Der Musical-Abend beginnt um 18 Uhr mit einem Empfang samt argentinischer Spezialitäten, um 19 Uhr geht dann das eigentliche Theater los.

Stolze 95 Euro kostet eine Karte — doch wer die Voraufführung (Preview) besucht, genießt Kultur für den guten Zweck. Ein guter Teil der Einnahmen soll in die Bühnenausstattung der neuen kleinen Spielstätte fließen, die bis Mai 2014 auf dem nahen Gelände des Historischen Zentrums entsteht. Buchstäblich naheliegend ist auch der Gedanke, dass aus Banu Böke Eva Péron wird. Es sei nicht einfach so, dass eine Opern-Künstlerin versuche, Musical zu singen, versichert die gebürtige Ludwigshafenerin mit den türkischen Wurzeln. „Ich glaube, das ist das, was mich ausmacht. Ich habe eine klassische ausgebildete Stimme, setze sie aber auch gerne bewusst anders ein.“ Und schon zählt sie auf, auf wie vielen musikalischen Feldern sich eine Opernsängerin austoben kann, wenn sie nicht allein Mozart oder Rossini schätzt: „Ich singe privat gerne türkische Pop-Balladen, habe Auftritte mit dem Jazz-Trio von Ulrich Rasch, achte aber auch darauf, die Alte Musik, etwa Monteverdi, nicht zu vernachlässigen.“

Das klingt zwar nach Friede, Freude und vielen Facetten, ist aber nicht so einfach, wie es sich anhört. Denn einen Schalter zum Umstellen der Stimme gibt es nicht — sehr wohl aber die passende Einstellung, wie Böke betont. „Ich versuche nicht, mit einer Stimme alles zu singen, sondern gebe mich hin und versuche, das jeweilige Genre zu bedienen.“ Aufgeschlossen und experimentierfreudig ist sie, gar keine Frage. Dabei habe sich immer eins nach dem anderen ergeben, erzählt sie mit glänzenden Augen, die keinen anderen Schluss zulassen als den, dass ihre Besitzerin auf die Bühne gehört — und auch nirgendwo anders sein möchte.

Ob sie aus einer Künstlerfamilie stammt? Böke, die an Wuppertal vor allem die Luisenstraße liebt („Bei schönem Wetter sitze ich da sehr gern draußen“), schüttelt lächelnd den Kopf mit dem langen schwarzen Haar. „Ich komme aus einer Medizinerfamilie — die allerdings sehr musikalisch war.“ In den 60er Jahren ließen ihre Eltern Istanbul zurück. „Mein Vater war Zahnarzt und ist seinem Bruder nach Deutschland gefolgt.“

In Ludwigshafen wurde sie geboren, in Mannheim besuchte sie die Musikschule. Mit vier Jahren ging es zur musikalischen Früherziehung, mit sechs folgte der Klavierunterricht, als Zwölfjährige erhielt sie den ersten Stimmunterricht. Als sie mit dem Kinderchor einen Auftritt im Nationaltheater Mannheim hatte, wurde „Der 35. Mai“ zum alles entscheidenden Erlebnis. Das Kästner-Stück hat sie nie vergessen. „Ich war 13 und habe mich sofort in die Theaterluft verliebt.“

Spätestens da war klar, dass es für sie nur eine Richtung gibt: den Weg auf die Bühne. „Ich liebe den Geruch der Theaterschminke. Und ich mag es, in Kostüme zu schlüpfen.“ Beim Musical kam außerdem eine ganz neue Erfahrung hinzu: der Tanzunterricht.

Neben der physischen Veränderung lockt auch die Entwicklung, die im Kopf stattfindet: „Ich finde es toll, wenn der Beruf lebendig bleibt und man sich neue Herausforderungen sucht. Deshalb habe ich auch gedacht, dass ich ,Evita’ packe.“ Nach drei ausverkauften Vorstellungen in Solingen und Remscheid ist sie ohnehin beflügelt. „Es gab tosenden Applaus. Ich hatte das Gefühl: Wir reißen das Publikum mit und das Publikum reißt uns mit.“

Dass sie keine Lieblingsszene hat, ist nur die halbe Wahrheit. Denn es gibt mehr als einen einzelnen Auftritt, der „mir sehr nahegeht“: „Mich berühren die Momente, in denen Evita schon zerbrechlich ist und am Boden liegt, aber immer noch kämpft und eine starke Frau bleiben möchte“. Ob sie sich ein weiteres Musical vorstellen kann? Bökes lange Haare geraten einmal mehr in Bewegung. Sie lächelt, schüttelt diesmal allerdings nicht den Kopf, sondern nickt beschwingt: „Ich habe tatsächlich Blut geleckt. Musical macht mir Spaß!“

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