Kultur Augenblick vor dem letzten Kampf

Welch ein Auftritt! Mit weit aufgerissenen Augen und zum Angriff bereit, inszenierte Lovis Corinth (1858-1925) Rudolf Rittner in diesem Gemälde.

 Rudolf Rittner als Florian Geyer.

Rudolf Rittner als Florian Geyer.

Foto: Von der Heydt - Museum Wuppertal/Von der Heydt Museum

Welch ein Auftritt! Mit weit aufgerissenen Augen und zum Angriff bereit, inszenierte Lovis Corinth (1858-1925) Rudolf Rittner in diesem Gemälde. Der Schauspieler stellt hier den fränkischen Reichsritter Florian Geyer, Anführer im deutschen Bauernkrieg, dar. Geyer ist allein auf der Bühne, in voller Rüstung, bewaffnet mit dem blanken Schwert im Augenblick vor dem letzten Kampf. Angespannt wendet er sich in Erwartung seiner abfallenden Bundesgenossen nach rechts, in Richtung eines hellen Lichtscheins, das Schwert und die zerfetzte Fahne vor sich haltend. Corinth begrenzte den Bildausschnitt ganz auf die Figur Florian Geyers. Weder Bühnenbild noch Staffagefiguren lenken von dem dramatischen Moment ab. Der Eindruck von Konzentration und Anspannung des Helden wird durch den rötlich aufblitzenden Widerschein eines lodernden Feuers auf der Rüstung und im Gesicht noch gesteigert. Dabei nimmt die Figur nur die linke Bildhälfte ein, was die Erwartungshaltung in Bezug auf das, was von rechts kommen mag, noch verstärkt.

Das großformatige Gemälde entstand anlässlich der Aufführungen des Dramas „Florian Geyer“ von Gerhart Hauptmann im Lessingtheater in Berlin. Der dortige Direktor Otto Brahm hatte vom Autor die Freigabe der Aufführungsrechte erreicht und konnte sich damit gegen Max Reinhardt am Deutschen Theater durchsetzen. 1904 wurde das Stück mit Rudolf Rittner in der Hauptrolle neu inszeniert. Das mitreißende Spiel Rittners verhalf dem Stück zum Durchbruch. Als Mitglied des Ensembles von Otto Brahm galt er als bahnbrechender Interpret von Hauptmanns Figuren und spielte neben Florian Geyer auch Fuhrmann Henschel und den „Armen Heinrich“.

Unvergessen bleibt mir persönlich der Moment, in dem unser hiesiger Schauspielintendant Thomas Braus mit Schwert und schwarzer Kleidung vor Corinths Bild in die Rolle Florian Geyers schlüpfte und das Publikum begeisterte. Dieses Aufeinandertreffen von Schauspiel- und Bildender Kunst fand im Rahmen unserer Ausstellung „An die Schönheit – Stars der Sammlung“ im Juni 2020 statt. Und ich hoffe, dass wir bald zur nächsten Ausgabe dieser Kooperation in das dann wieder geöffnete Museum einladen können.

Das Gemälde von Lovis Corinth zählt übrigens zu den bedeutendsten Schauspieler-Rollenporträts und dürfte durch die 1902 und 1903 von Max Slevogt geschaffenen Bildnisse des Sängers Francisco d’Andrade in der Rolle des Don Giovanni angeregt worden sein. Corinth ging aber über Slevogt hinaus, indem er den Schauspieler nicht in repräsentativer Pose festhielt, sondern unmittelbar vor dem entscheidenden Moment der Geschichte interpretierte und so die Dramatik der Szene erhöhte. Corinth selbst hielt das Porträt für eines seiner besten Bilder.

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