Freies Netzwerk Kultur Auf dem Hochseil meist ohne Netz

Vielfalt macht nicht nur die Kunstszene im Tal aus, vielfältig sind auch die Lebensmodelle der Kulturschaffenden. Deshalb greifen auch die Hilfspakete der Bundes- und Landesregierung nur schwer, da sie zum Teil von Lebensbedingungen der Künstler ausgehen, die es in den seltensten Fällen so gibt.

 Ute Völker schreibt für das Freie Netzwerk Kultur. Sie ist Musikpä­dagogin und spielt Akkordeon.

Ute Völker schreibt für das Freie Netzwerk Kultur. Sie ist Musikpä­dagogin und spielt Akkordeon.

Foto: Völker

Vielfalt macht nicht nur die Kunstszene im Tal aus, vielfältig sind auch die Lebensmodelle der Kulturschaffenden. Deshalb greifen auch die Hilfspakete der Bundes- und Landesregierung nur schwer, da sie zum Teil von Lebensbedingungen der Künstler ausgehen, die es in den seltensten Fällen so gibt. Nehmen wir zum Beispiel das letzte Paket, die einmalige 5000 Euro-Finanzhilfe, die beim nachweislichen Verlust von 80 Prozent des Einkommens im Vorjahr einsetzt. Die Rettung im Lockdown, in dem die Kultur komplett hinter Schloss und Riegel verbannt wurde!

Aber was, wenn der Musiker die Hälfte ihres Einkommens aus dem Unterricht an der Bergischen Musikschule bezieht und den Rest durch Konzerte bestreitet? Beides keine hohen Einnahmen, aber zusammengerechnet reicht es allemal für einen Eintopf unter der Woche und ein fürstliches Mahl am Wochenende. Nur: Jetzt im Lockdown, im lukrativen Weihnachtsgeschäft, bricht die eine Hälfte weg. Das Sonntagsessen ist gestrichen und der Eintopf wird mit Wasser und Fantasie zu einem Süppchen verlängert.

Die von der Regierung versprochene Hilfe scheint zum Greifen nahe, aber sie ist es nicht, denn 50 Prozent des Einkommens gibt es ja noch, dank des Musikschul-Jobs, der – wenn auch nur online – immerhin noch läuft. Damit ist aber auch die Hilfe passé. Nur können sich die wenigsten vorstellen, dass 50 Prozent bei Musikern oft unter der Hartz-4-Marke liegt. Der Musiker beißt ins trockene Brot und hofft auf bessere Zeiten.

Solche Fälle gibt es zuhauf. Deshalb haben sich Kulturschaffende und das Kulturbüro in Wuppertal im Frühjahr zusammengeschlossen und kochen seitdem zusammen einen „Eintopf“: einen Topf, der Künstlern hilft, Weihnachten nicht vor einem leeren Suppentopf zu sitzen. Der Eintopf springt unkompliziert ein, wenn es einen Engpass bei der Mietzahlung gibt oder das Einkommen nicht mehr für die Stromrechnung ausreicht, da die Konzerte der Saison ersatzlos gestrichen wurden.

Der Eintopf lebt von der Solidarität der Bürgerschaft der Stadt, die mit ihren Spenden den Kulturschaffenden Wertschätzung entgegenbringt. Danke dafür, denn in den Küchen der freien Künstler wird es langsam kalt und das Frühjahr wird keine rosigeren Zeiten bringen. Geplante Produktionen werden jetzt schon gekippt, da zuerst die „Altlasten“ aus der geplatzten letzten Saison nachgeholt werden müssen. Ersparnisse sind aufgebraucht und dicke Aufträge vorerst nicht in Sicht. Jetzt zählt jede Erbse, die aus dem dünnen Süppchen einen reichhaltigen Eintopf macht.

Wie gut haben es jene Kulturschaffenden (zu denen ich gehöre), die den Großteil ihres Einkommens durch eine Festanstellung als städtische Musiklehrkraft beziehen und deren Salär mit oder ohne Lockdown kommt. Doch die Vielzahl von Künstlern, die auf Honorarbasis arbeiten müssen, bekommen kein Ausfallhonorar für abgesagte Stunden oder Aufführungen und kein Kurzarbeitergeld, wenn die Oper den Probenbetrieb einstellt oder das Kunstprojekt nicht realisiert werden kann.

Hier zeigt sich die verfehlte Kulturpolitik der letzten Jahre, wie zum Beispiel der Stellenabbau im Kulturbereich zugunsten von Honorarkräften oder die latente Unterfinanzierung der freien Szene. Diese wird stets hochgelobt und viel gepriesen. Doch wird sie nach der Pandemie noch am Leben sein? Ohne Kultur lässt es sich auf lange Sicht nicht leben. Also helfen sie sich mit dem Eintopf selbst, die einen finanziell und andere strukturell. Und damit helfen sie der ganzen Stadt!

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