Tom Tykwer: „Ich bin kein Tabu-Brecher“

Interview: Der Wuppertaler Regisseur spricht über vertraute Komplikationen in Beziehungen.

Herr Tykwer, Ihr Film „Drei“ kommt am 23. Dezember in die Kinos, also passend zum Fest der Liebe und zum Jahresende, zu dem manche auch die persönlichen Beziehungen überdenken. War das so geplant oder ist es ein willkommener Zufall?

Tykwer: Das war so geplant. Vor Weihnachten ist man ja in diesem kollektiven Wohlfühl-Wahn, der zum Fest hin in einem leichten Irrwitz gipfelt und den man danach in freundlicher, aber konsequenter Weise hinter sich lassen möchte. Der Termin ist optimal für den Film, weil in ihm versöhnlich, hoffnungs- und liebevoll, aber nicht verkitscht oder verklärend, sondern mit einem sehr klaren Blick und einem gewissen Optimismus auf eine verrückte Geschichte geblickt wird.

In „Drei“ sind Hanna und Simon seit 20 Jahren ein Paar und verlieben sich — ohne es zu wissen — in denselben Mann. Ist der Film ein Plädoyer für Dreierbeziehungen?

Tykwer (Foto: dpa): Nein, der Film plädiert für nichts. Er beobachtet eher mit Erstaunen und Interesse, wie sich erst zwei, dann drei Menschen einen Weg durch die uns allen sehr vertrauten Komplikationen des Beziehungsalltags wühlen. Sie haben zwar gewisse Hemmschwellen, treten ihnen aber mutig entgegen. Das ist letztendlich auch das, was man in einem Film sehen möchte: Dass sich Leute etwas zutrauen, was man sich selbst nicht trauen würde. Im Film kann man beobachten, welche potenziellen Konsequenzen das hat.

Bei den Filmfestspielen in Venedig hat „Drei“ nicht zuletzt wegen der homoerotischen Szenen für Aufsehen gesorgt. Hatten Sie damit gerechnet?

Tykwer: Nein, ich finde das auch immer noch ein bisschen albern. Was im Film passiert, sieht man teilweise seit Jahren auch in Vorabendserien. „Drei“ ist in dieser Hinsicht kein Tabu-Brecher. Ich glaube, die Verwirrung entstand eher durch die Tatsache, dass die Figuren einem so vertraut erscheinen.

Inwiefern?

Tykwer: Man ist daran gewöhnt, dass Personen, die in Filmen unerwartete Schritte tun, anders sind, als wir uns selbst empfinden — entweder, weil sie sich exotisch benehmen oder weil sie überkandidelt sind. „Drei“ hingegen erzählt von drei ganz normalen Personen, denen Dinge wiederfahren, die wir nicht so gerne mit uns in Verbindung bringen, obwohl es mit Sehnsüchten zu tun hat, die wir alle kennen dürften. Ich denke, die Provokation lag eher darin als in der tatsächlichen expliziteren Sexualität.

Welche Rolle hat es gespielt, dass Sie jetzt wieder auf Deutsch gedreht haben?

Tykwer: Auf Deutsch kann ich mit Schauspielern offener arbeiten. Bei internationalen Produktionen muss ich meine Gedanken erst einmal ins Englische übersetzen. Die Dinge, die ich dann sage, sind dann in gewisser Weise schon zu Ende analysiert. Es hat beides Vor- und Nachteile. Im Englischen bin ich ein effizienterer Regisseur, im Deutschen kann ich freier suchen. Das führt zu spontanen Reflexen, die sehr schön sind und einen auch überraschen können.

Vor wenigen Wochen ist der von Ihnen produzierte kenianische Film „Soul Boy“ angelaufen. Wie kamen Sie dazu, jungen Kreativen in Slums Starthilfe zu geben?

Tykwer: Meine Frau Marie engagiert sich seit Jahren im Verein „One Fine Day“ („Eines schönen Tages“), der sich für die Kunst-Erziehung von Kindern in afrikanischen Slums einsetzt. Daraus ist ein Ableger entstanden, für den ich mich jetzt engagiere: Die Produktionsfirma „One Fine Day Films“ unterstützt kinobegeisterte Jugendliche. Das erste Projekt war „Soul Boy“. Ich bin, wenn man so will, der Team-Coach. Wir haben einen Crash-Kurs gegeben und mit den Teilnehmern mehrere Wochen zusammengearbeitet. „Soul Boy“ zeigt keine Elends-Dramaturgie, sondern den authentischen Blick von Jugendlichen, die in Slums leben.

Erst kürzlich wurde bekannt, dass Sie bereits vor einem Jahr geheiratet haben. Warum haben Sie das geheim gehalten?

Tykwer: Wir wollten erst einmal Ruhe haben, bevor wir eine Party feiern.

Und dann?

Tykwer (lacht): Haben wir gefeiert.

Welches Projekt könnte als nächstes gefeiert werden?

Tykwer: Die Verfilmung von David Mitchells Roman „Der Wolkenatlas“. Das kann allerdings noch ein bisschen dauern, weil es eine internationale Filmproduktion wird und die Finanzierung schwierig ist.

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