Tanz-Workshops „Alles, was dem Tanz Raum geben kann, ist mir willkommen“

Thusnelda Mercy und Pascal Merighi wirken beim Festival „Pina Bausch Zentrum under construction“ mit.

 Thusnelda Mercy  in Pina Bauschs Stück „Bamboo Blues“.

Thusnelda Mercy  in Pina Bauschs Stück „Bamboo Blues“.

Foto: Jong Duk Woo

Tanzen kann selbst für Tänzer zur unverhofften Herausforderung werden. Dann nämlich, wenn es nicht vor lebendigen Menschen, sondern vor einer Kamera stattfindet, die Zuschauer über eine Software zugeschaltet sind, zuhause in ihrem Wohnzimmer stehen. Mitmachen wollen und sollen. Die Corona-Krise wurde für Thusnelda Mercy und Pascal Merighi (und nicht nur für sie) auch zur „technischen Challenge“. In der sie seit dem ersten Lockdown im Frühjahr viel dazu gelernt haben. Etwa, dass manche Bewegung ohne präzise verbale, noch dazu mehrsprachige Unterstützung nicht zu vermitteln ist. Beim gestreamten Festival „Wir bauen zusammen ein Haus - Pina Bausch Zentrum under construction“ luden die ehemaligen Tänzer von Pina Bausch diese Woche zum „Mit-Tanzen“ ein - ihre Workshops sind  ausgebucht.

Eigentlich ist das Netz weltweit, erlaubt auch, dass Menschen in New York, Düsseldorf, Haan und Wuppertal gleichzeitig in die Lichtburg in Barmen, wo die Workshops gefilmt und versendet werden, zugeschaltet werden können. Wenn der visuelle Kontakt aber über Zoomkacheln hergestellt werden soll, sind 15 bis 16 Leute das richtige noch erfassbare Maß. Und so beginnt der Online Workshop (Thusnelda Mercy am Montag, Pascal Merighi am Donnerstag) mit dem Aufbau persönlicher Interaktion und der Kontrolle, ob jeder Teilnehmer auch genug Platz fürs Mit-Tanzen hat, die Mikrofone ausgeschaltet sind, die Kameraeinstellung günstig ist. Was die angesetzten anderthalb Stunden schon mal verkürzt. Keine Rolle spielt diesmal, ob Tanz-Vorkenntnisse vorhanden sind. Ganz verzichtet werden muss auf Nähe. Was Thusnelda Mercy sehr vermisst: „All das muss ohne Berührungen gehen. Analog hat man da mehr Verbindungsmöglichkeiten. Aber wir versuchen dennoch, in einen Fluss zu kommen.“

Zwei Workshops bieten Mercy und Merighi an, ihre Mit-Tänzer sind zwischen 21 und 79 Jahre alt. Über bestimmte, meist aus dem Tanz kommende Bewegungen, Gesten und  Techniken soll ihr Körperbewusstsein trainiert werden. Es gehe „um die eigene Koordination, räumliches Bewusstsein und darum, mit den individuellen Interpretationen der Bewegung zu experimentieren“, heißt es im Kurs-Programm. Und weiter: „Impuls und Geschwindigkeit, Effizienz und Krafteinsparung werden durch Übungen behandelt, die eine sehr enge Beziehung zum Boden sowie ein Verständnis der Anatomie des Körpers haben.“ Das positive Feedback zeigt, dass ihre Bemühungen eingelöst werden. Dass bei den Teilnehmern einzelne Bewegungen „hängen“ bleiben. Der Tanz bei den Menschen auch im Alltag weiterlebt.

Hinter dem Kurskonzept steht die 2017 gegründete Compagnie Merighi & Mercy, die sich, mit und über den Tanz die Welt erforschend, menschlichen Momenten des Alltags widmet. Dabei auf spartenübergreifende Kooperationen setzt. „Wir arbeiten gerne mit Text, vorhandener Literatur, aber auch Texten, die entstehen“, erklärt Pascal Merighi. Manchmal kommt Schauspiel dazu, oft Musik und Video. Gerne wird an ungewöhnlichen Orten getanzt, an Orten, wo sie ihre Kreativität entfalten können.

Zusammenführen verschiedener künstlerischer Bereiche

Im Zusammenführen der verschiedenen künstlerischen Bereiche entsteht Neues. Dabei beanspruchen sie nicht neue Wege zu gehen, aber Dinge weiterzuentwickeln. Ansätze, die sie auch in Workshops fließen lassen. An deren Ende dann eigene Choreographien stehen. „Wir wollen andere Formate finden, das muss nicht aufwendig sein, aber kreativ“, erzählt Mercy. Im Prinz-Regent-Theater in Bochum treten die Wuppertaler regelmäßig auf. Gerade konnte für ein Projekt eine wichtige Förderung durch den Fonds Tanzpakt Reconnect gesichert werden.

Das alte Schauspielhaus, um dessen Zukunft als Pina Bausch Zentrum es beim Festival „Under construction“ geht, kennen und schätzen beide aus ihrer aktiven Zeit mit Pina Bausch. Im Moment sei das ein stiller Ort mit ungewisser Zukunft, was die Möglichkeit zur Änderung beinhalte, sagt Merighi. Und Mercy unterstützt: „Alles, was dem Tanz Raum geben kann, ist mir willkommen.“ Sie hofft, dass die Verantwortlichen das ganze kreative Potential ausschöpfen, wenn es darum geht, hier – wie geplant – das Zentrum zu verwirklichen. „Solange der Tanz existieren kann, ist alles wunderbar.“

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