Tanzfestival: Wuppertal setzt Maßstäbe

„Tanz NRW 09“ startete im Café Ada. Gefeiert wurde ein Fest der Hochkultur.

Wuppertal. An Wuppertal kommt "Tanz NRW 09" nicht vorbei: Mit fünf Produktionen im Café Ada und in der Fabrik Elba ist die Pina-Bausch-Stadt neben sechs anderen des Landes vertreten. Den Auftakt im Café Ada bestritten am Donnerstagabend drei Choreographien.

Rodolpho Leonie, künstlerischer Leiter des Folkwang Tanzstudios Essen, stellt mit "Aus Só" ein Solo für Tänzerin I-Fen Lin vor. Selbstverloren windet sie sich zu sanften Klavierklängen, kreiselt, taumelt, bis sie schiebend, gleitend und rollend ausdrucksvolle Bodenarbeit zeigt. Im schnellen Klaviersatz zeichnet sie die Skalen in Körperfiguren nach, die oft abrupt stoppen.

Roboterhaft repetierte Handbewegungen erinnern an Abläufe von Maschinen. Als sie ohne Musik tanzt, assoziiert man unweigerlich die passenden Klänge dazu. Sehr musikkonform entwickelt I-Fen Lin ihre den ganzen Raum definierenden Tänze: Aus musikalischer Emotion wird körperliche Motion. Höhepunkt der Choreografie ist der Tanz zur Walzer-Apotheose "La Valse" von Maurice Ravel. Für den berühmten Tänzer Diaghilew komponierte Ravel das Werk, der aber lehnte es empört ab. Kein Wunder - das Bewegungsvokabular des klassischen Balletts war dann doch sehr eingeschränkt.

I-Fen Lin kostet die wirbelnden Walzer-Elemente mit geschmeidigem Körperspiel aus. Das aggressive Potential, das den verfremdeten, übersteigerten und ins Angstvolle übersetzten Klängen innewohnt, zeigt sie mit ekstatisch abgehackten Drehungen, schneidenden, unwirschen Gesten. Das ist absoluter Tanz in Hochkultur und ein Genuss, die tänzerischen Ausdrucksformen so gebündelt zu erleben.

Kontrastprogramm ist das skurrile "Stück", eine witzige Performance der Belgierin Caroline Sturm, für das man die Kategorie "Tanz-Kabarett" erfinden müsste. In einem 45-minütigen, atemlosen Monolog ist sie auf der Suche nach dem Traummann. Sprache kommentiert sie mit Bewegungsmustern - Tanz wäre zuviel gesagt. Lebensfreude mit gestrecktem Körper und hochgereckten Händen, Einsamkeit zeigt sie am Boden kauernd, Selbstbewusstsein mit geradem Rücken und vorgestreckter Brust.

Aber sie muss Klippen überwinden: Das sind die als grell beschriebenen Laserstrahlen, denen sie wirbelnd ausweichen muss, das ist der plötzliche "Black-Out", den sie "Fuck" brüllend und stampfend kommentiert. Die getanzte Hochzeit mit dem imaginären Traummann zur gesungenen "Ode an die Freude" ist ein Chaos-Fest mit Batterien von Champagner-Gläsern und galoppierendem weißen Pferd. Dabei bleiben die Tanz-Posen marginal, werden die Positionen ironisierend als Klischees entlarvt.

Jean Laurent Sasportes und Mark Sieczkareks Choreographie "On verra" mit dem heimlichen Star des Stücks, dem Hündchen Sloogy, beschließt den anregenden Tanzabend.

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