Täuschung in bester Absicht: Bilder führen in neue Welten

Dietrich Maus: Der Wuppertaler zeigt bei Verdi Arbeiten auf Papier.

Wuppertal. Dietrich Maus ist bei Verdi ein gern gesehener Gast. Schon oft hat der in Wuppertal lebende und arbeitende Künstler dort Vernissagen besucht, jetzt stellt er erstmalig an der Grünstraße aus. "Gesichte" sind seine Arbeiten auf Papier überschrieben - und wer bei dem kryptischen Titel an "Gesichter" denkt, liegt genau richtig. Und auch nicht.

Denn bei der Kunst von Maus scheint es nicht allein um ein Anschauen, Betrachten und Verstehen zu gehen, sondern der 1942 Geborene erteilt eine schöne Lektion in Sachen Augenkunde und Sehen. Mit Farben und Gesten, Aufsichten und Ansichten stellt sich immer wieder neu die Frage: "Was sehen wir - und was wollen wir sehen?"

"Das menschliche Antlitz ist uns das am meisten vertraute Bildmotiv", zitierte Max Christian Graeff in seiner bemerkenswerten Einführungsrede den Künstler selbst. Das ist nicht neu, aber wahr. Und Maus scheint zu porträtieren, um seine Betrachter zum Sehen zu bringen.

Offensichtlich sind die Basis vieler der entlang des Verdi-Flures gezeigten Werke Fotos. "Es gibt so viele Motive, die bereits existieren, dass ich sie mir nehmen kann, um sie weiter zu verändern", so Maus. Poppig bunt sind auf "imaginären Porträts" Ausschnitte und Ausrisse als Fenster zu signifikanten Merkmalen bestimmter Menschen zu betrachten. Handelt es sich um Alfred Stieglitz oder Karl Marx? Sind das wirklich Miles Davis oder James Joyce?

In dem Hybrid aus Gesicht und Geschichte geben bunte Bänder und Muster als dekorative Schleifen und akkurate Überbalkungen oft nur einen Mundwinkel oder ein Auge frei. Und hier beginnt das Spiel des Sichtbaren, das das viel größere Geheimnis trägt als das Unsichtbare.

Einbildung, Blendung, Mystifikation und Vorstellung gehen Hand in Hand mit tatsächlich Abgebildeten, täuschen den Betrachter und führen ihn in neue Welten. Wie bei einem Puzzle darf jeder nach Gusto sein Bild zusammensetzen, seine Sehgewohnheiten erproben und neu wahrnehmen. Auf einem der Bilder ist Bertolt Brecht abgebildet. Eine seiner größten literarischen "Erfindungen" war der so genannte V-Effekt als Verfremdung des Gewohnten. Ähnliches gelingt Maus bei seinen Zeichnungen und Malereien: Gesichter reißt er aus dem gewohnten Kontext und präsentiert sie als Produkt des Imaginären.

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